Ärzte wehren sich gegen Kostendach
Ärzteverbände warnen in Inseraten vor angeblichen Leistungskürzungen im Gesundheitswesen. Damit wollen sie sich behördlichen Kontrollen entziehen.
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saldo 15/2022
27.09.2022
Letzte Aktualisierung:
29.09.2022
Joël Hoffmann
Seit Wochen malt eine Anzeigenkampagne schwarz: «Behandelt mich in Zukunft mein Arzt bis ich gesund bin oder solange das Geld reicht?», stand in einer grossen Anzeige in der «Sonntagszeitung». Und: «Meine Patienten verdienen es, dass ihre Gesundheit wichtiger ist als irgend ein Kostendeckel.» Die Botschaft: Ärzte müssen künftig bei der Behandlung ihrer Patienten sparen – im Gesundheitswesen würden...
Seit Wochen malt eine Anzeigenkampagne schwarz: «Behandelt mich in Zukunft mein Arzt bis ich gesund bin oder solange das Geld reicht?», stand in einer grossen Anzeige in der «Sonntagszeitung». Und: «Meine Patienten verdienen es, dass ihre Gesundheit wichtiger ist als irgend ein Kostendeckel.» Die Botschaft: Ärzte müssen künftig bei der Behandlung ihrer Patienten sparen – im Gesundheitswesen würden die Leistungen rationiert.
Wer hinter der Kampagne steckt, geht aus der Anzeige nicht hervor. Im Kleingedruckten ist lediglich eine «Aktion für ein Gesundheitswesen mit Augenmass» als Urheberin des Inserats genannt. saldo-Recherchen zeigen: Initiantin der Kampagne ist die Ärztegesellschaft Bern. Hinter der Aktion stehen zwölf weitere kantonale und nationale Ärzteverbände, wie zum Beispiel der Deutschschweizer Ärzteverband.
Die Mediziner bekämpfen ein vom Bundesrat gefordertes Kostenmonitoring. Dieses sieht vor, dass Ärzte nicht mehr wie bisher ohne Kontrolle so viel operieren dürfen, wie sie wollen. Marco Tackenberg, Sprecher der Ärztegesellschaft Bern, verteidigt die Aktion der Ärzte so: «Es ist Aufgabe der Ärzteschaft, dort klar Stellung zu beziehen, wo die hohe Qualität der Patientenbetreuung in der Schweiz gefährdet wird.»
Behörden machtlos gegenüber exzessiv operierenden Ärzten
Die Lobbyisten in Weiss erwecken den Eindruck, dass durch das Monitoring ein starres Kostendach festgelegt wird und Chirurgen nur noch eine beschränkte Zahl von Operationen durchführen dürfen. Doch das stimmt nicht. Bundesrat und Parlament wollen mit den Änderungen im Krankenversicherungsgesetz nur, dass Ärzte ab einer auffällig hohen Anzahl von Eingriffen künftig die entstandenen Kosten begründen müssen.
Die Ärzte konnten bereits einen Zwischenerfolg verbuchen: National- und Ständerat stimmten in der Herbstsession zwar für ein Kostenmonitoring, schwächten die Vorlage aber ab: Ärzte müssen künftig nur gegenüber den Krankenkassen Rechenschaft über ihre Behandlungskosten ablegen. Bund und Kantone indes dürfen nicht gegen exzessiv operierende Ärzte vorgehen.