Ärzte sind in den meisten Kantonen verpflichtet, eine Haftpflichtversicherung abzuschliessen. Die Behörden erteilen ihnen sonst keine Praxisbewilligung. Die Versicherung ist im Interesse des Arztes wie der Patienten. Ärzte haften für jeden finanziellen Schaden, der Patienten aus unsorgfältigen Behandlungen entsteht. Ein Kunstfehler kann teuer werden, etwa wenn der Patient länger arbeitsunfähig oder gar invalid wird. Trotzdem haben nicht alle selbständigen Ärzte und Zahnärzte eine solche Versicherung abgeschlossen.
Vor kurzem meldete sich zum Beispiel ein Patient bei der Patientenstelle. Er hatte durch einen ärztlichen Kunstfehler einen grösseren Schaden erlitten. Der Arzt hat keine Haftpflichtversicherung. Der Fall ist hängig.
Die Kantone kontrollieren kaum, ob ein Arzt versichert ist. Das zeigt eine saldo-Umfrage: 20 von 26 Kantonen prüfen nur, ob Ärzte, die neu eine Praxis eröffnen wollen, versichert sind. Anders im Baselbiet und im Kanton Genf: Hier verlangen die Behörden keinen Nachweis. Der Kanton Tessin fordert ihn erst nach einem Jahr Praxistätigkeit. Waadt, Neuenburg und Jura antworteten nicht auf die Anfrage. Hat der Arzt seine Praxis eröffnet, kontrollieren die Kantone die Versicherung nicht mehr. Nur Appenzell-Ausserrhoden sagt, man prüfe jedes Jahr die Policen aller Ärzte. Zug macht pro Jahr rund zehn Stichproben. Die anderen Kantone werden nur im Verdachtsfall aktiv.
Margrit Kessler, Präsidentin von SPO Patientenschutz, findet das problematisch. Schuld sei der Gesetzgeber: Im Medizinalberufegesetz steht, dass Ärzte eine Berufshaftpflichtversicherung abschliessen oder «gleichwertige Sicherheiten erbringen» müssen. Für Kessler ist klar: «Der Nachsatz lässt zu, dass niemand kontrolliert.»
Nur wenige Kantone geben Auskunft
Können Patienten prüfen, ob ihr Arzt versichert ist? Keine Auskunft geben die Gesundheitsbehörden in den Kantonen AI, BS, GR, SZ, SO, SG, TI, ZG und ZH. Luzern und Aargau informieren unbürokratisch, Wallis und Nidwalden verlangen, dass Patienten ihr Interesse glaubhaft begründen.
Tipp: Wenn der Arzt keine Auskunft geben will, kann man sich an den kantonalen Datenschützer wenden. In den meisten Kantonen haben die Bürger das Recht, Behördendokumente einzusehen. Dazu gehören auch die Listen der Kantone mit den Angaben über die Haftpflichtversicherungen der zugelassenen Ärzte. Infos zu den Bestimmungen über die Einsichtsrechte in den Kantonen siehe www.oeffentlichkeitsgesetz.ch ! Kantone.
Häufige Behandlungsfehler
Wie viele Kunstfehler in Schweizer Arztpraxen passieren, weiss niemand genau. Bei einer Untersuchung der Stiftung für Patientensicherheit im Jahr 2011 berichtete fast jeder dritte Arzt, dass er einmal pro Woche «ein kritisches Ereignis» erlebe. Besonders häufig sind falsche oder zu spät gestellte Diagnosen sowie Fehler bei der Verschreibung von Medikamenten. Fünf Prozent der Patienten erlitten «schwerwiegende Schäden».