Am 16. Oktober 2020 machte die Weltgesundheitsorganisation WHO publik, dass das Medikament Remdesivir bei Corona-Behandlungen praktisch nutzlos ist. Es trägt laut WHO-Generaldirektor Tedros Ghebreyesus «kaum etwas oder gar nichts dazu bei, den Tod durch Covid-19 zu verhindern oder den Krankenhausaufenthalt zu verkürzen». Das ergab die Auswertung einer grossen Studie der Weltgesundheitsorganisation. Sie riet vom weiteren Einsatz des Medikaments ab.
Schweizer Spitäler setzen es trotzdem noch immer ein. Die Infektiologen Nicolas Müller vom Unispital Zürich, Alexandra Calmy vom Unispital Genf und Manuel Battegay vom Unispital Basel räumen in einer gemeinsamen Stellungnahme gegenüber saldo ein, dass das Medikament die Sterblichkeit «schwerstkranker Patienten» zwar nicht senke. Sie sehen aber «die Möglichkeit, dass es im Frühstadium der Erkrankung» bei noch nicht künstlich beatmeten Patienten die Verbreitung der Viren hemmen könnte. Ergebnisse einer früheren Studie würden darauf hindeuten. Laut den drei Spitalinfektiologen sei der Verbrauch des Mittels in der Schweiz seit der Veröffentlichung der WHO-Studie aber «rückläufig».
Offizielle Zahlen bestätigen das nicht: Vor dem 1. Dezember 2020 bekamen laut dem Bundesamt für Gesundheit 2750 Corona-Patienten Remdesivir. Vom 1. Dezember bis Mitte Januar seien es weitere 1600 Patienten gewesen. In beiden Zeiträumen bekamen rund 30 Prozent der hospitalisierten Corona-Patienten Remdesivir. Viele Ärzte verordnen das Medikament an Schweizer Spitälern also weiterhin.
Pro Patient entstehen Kosten von 2300 Franken
Auch der Bund setzt sich für die Behandlung mit dem umstrittenen Medikament ein. Das Bundesamt für Gesundheit teilte noch Mitte Januar mit, dass es über die «weitere Versorgung mit Remdesivir» mit dem Hersteller Gilead verhandle.
Die Steuer- und Prämienzahler kommt das Festhalten an Remdesivir teuer zu stehen. Eine fünftägige Standardbehandlung kostet 2300 Franken. Allein die Ausgaben für die 1600 Behandlungen seit Anfang Dezember summieren sich auf 3,6 Millionen Franken. Das Bundesamt für Gesundheit sagt auf Anfrage, dass es die Kosten den Spitälern verrechne.
Patrick Durisch, Gesundheitsexperte der Organisation Public Eye, fordert den Bund auf, den Remdesivir- Preis massiv zu drücken. Der Bund zahle heute gleich viel für das Corona-Mittel wie im Sommer 2020. Inzwischen habe sich herausgestellt, dass das Präparat «nachweislich schlechter wirkt», als der Hersteller behaupte. Wolfgang Becker-Brüser vom Fachmagazin «Arznei-Telegramm» rät, keine Corona-Patienten mehr mit dem Präparat zu behandeln. Es sei Sache der Hersteller, «nicht zuverlässig wirksame Medikamente» in klinischen Studien weiter zu prüfen, um herauszufinden, wem sie wirklich etwas nützen.