Frau P. und Herr S. wurden wiederholt belästigt. Um sich vor den Nachstellungen zu schützen, liess das getrenntlebende Paar die Wohnadressen im Kanton Zürich sperren. Das Zürcher Gesetz erlaubt dies ohne Angabe von Gründen.
Doch die kantonale Sperre war löchrig. Denn das Paar besitzt im Kanton Thurgau eine Liegenschaft. Dort reichte es Beschwerde gegen eine geplante Busgarage auf der Nachbarparzelle ein. Als Adresse für die Korrespondenz gaben sie eine Postfachadresse an. Dem Verwaltungsgericht genügte diese Angabe nicht. Es verlangte vom Kanton Zürich die Herausgabe der Wohnadressen. Beide Einwohnerämter gaben die Daten weiter. Sie wiesen darauf hin, dass es sich um gesperrte Daten handelt. Trotzdem schickte das Thurgauer Gericht allen am Verfahren Beteiligten ein Protokoll inklusive Adressen.
Die Folge: Das Paar leidet wieder unter Belästigungen. Es hat gegen den Gerichtspräsidenten Strafanzeige wegen Amtsgeheimnisverletzung eingereicht. Der Fall liegt beim Bundesgericht. Das Paar will vermeiden, «dass die einzige Schutzmöglichkeit von Stalking-Opfern ausgehebelt wird».
Die saldo-Recherche ergab: Hätte das Paar Wohnsitz im Kanton Appenzell-Innerrhoden, wäre es vor der Weitergabe der Daten informiert worden. Auch im Wallis hätten sie eine Mitteilung erhalten. Diese Kantone kennen ein allgemeines Anhörungsrecht. In acht weiteren Kantonen ist immerhin vorgeschrieben, dass die Ämter den Betroffenen Gelegenheit zur Stellungnahme geben, wenn das Auskunftsbegehren von einer Privatperson oder einem Unternehmen stammt (siehe Tabelle im PDF). In den übrigen Kantonen gibt es keinen solchen Anspruch.
Die Mehrheit der Kantone schreibt den Einwohnerdiensten nicht einmal vor, dass sie Datenempfänger auf gesperrte und sensibel zu handhabende Daten aufmerksam machen. In der Praxis weisen jedoch viele Einwohnerämter dennoch auf den Sperrvermerk hin – wie bei Frau P. und Herrn S.
Datenschutzbeauftragter für einheitliche Regeln
Der Eidgenössische Datenschutzbeauftragte beurteilt eine gesperrte Adresse laut Sprecher Francis Meier ebenfalls als schützenswerte Information, die «nur sehr beschränkt und mit entsprechendem Vermerk weitergegeben» werden sollte. Der Schutz von Personendaten bei der Einwohnerkontrolle fällt allerdings in die Kompetenz der Kantone oder Gemeinden. Für Meier wäre aber «sinnvoll», wenn die Regeln angeglichen würden. Eine betroffene Person sei vor der Herausgabe gesperrter Daten anzuhören.
Nach Meinung des Zürcher Anwalts Viktor Györffy sind die kantonalen Datenschutzgesetze ausreichend. Aber die Praxis in den Einwohnerämtern müsse sich verbessern. Aus seiner beruflichen Tätigkeit weiss er, dass es – je nachdem, wer anfragt – «erstaunlich einfach» ist, bei den Ämtern Auskunft zu bekommen. Ferner ortet er ein «Schnittstellenproblem»: Wenn Daten von einer Behörde zur nächsten weitergereicht werden, ist plötzlich niemand mehr verantwortlich für den Datenschutz.
Datensperre: Kein absoluter Schutz
Wer nicht will, dass jedermann auf Nachfrage seine Adresse erfährt, kann seine Personendaten bei der Einwohnerkontrolle sperren lassen. Eine solche Datensperre ist kostenlos und in allen Kantonen möglich. In einem Teil der Kantone muss man für die Errichtung der Datensperre ein «schützenswertes Interesse glaubhaft machen», meist ist aber keine Begründung erforderlich (siehe Tabelle im PDF).
Eine Datensperre bietet aber keinen absoluten Schutz vor Bekanntgabe der Daten. Im Rahmen der Amtshilfe geben die Einwohnerämter auch gesperrte Personendaten an andere inner- und ausserkantonale Behörden weiter. Auch Privatpersonen und Firmen erhalten gesperrte Adressdaten, falls sie sonst an der Durchsetzung ihrer Rechtsansprüche gehindert würden (etwa Inkassobüros).