Es geschah beim Volleyspiel. Der Ball kam geflogen, Susanne Santschi wollte lossprinten, um ihn noch zu erreichen. Da gab es einen leichten «Chlapf» an der Ferse und Santschi fiel hin: «Ich hatte plötzlich keine Kraft mehr im Fuss», erinnert sich die 41-Jährige aus Stans NW.
Im Spital stellten die Ärzte fest: Die Achillessehne war gerissen. Susanne Santschi musste zwei Tage im Spital bleiben, Chirurgen nähten die Sehne zusammen. Danach trug die Volleyballerin mehrere Wochen eine Gehschiene.
Santschi ist kein Einzelfall: Jedes Jahr reisst die Achillessehne bei rund 2500 Personen, oft bei Sportarten, bei denen man häufig sprinten oder springen muss – wie Volleyball, Fussball, Tennis oder Basketball. Die meisten Fälle landen unter dem Messer. Kosten des Eingriffs: rund 8000 Franken (siehe Tabelle im PDF).
Doch Fachleute kamen zum Schluss: Die Operation einer gerissenen Achillessehne ist in den meisten Fällen gar nicht nötig. Das sagt auch der Orthopäde Luzi Dubs aus Winterthur ZH. Der Grund: Die gerissene Sehne wächst fast immer von selbst wieder zusammen, wenn man sie mit einem Gips oder einer Schiene in der richtigen Position ruhigstellt.
Auch eine operierte Sehne muss man ruhigstellen
Das Berner Inselspital setzt schon seit längerem mit Erfolg auf diese Behandlungsform. Denn eine operierte Sehne heilt nicht schneller als eine, die spontan zusammenwächst. Es dauert in beiden Fällen etwa drei Monate. Auch eine operierte Sehne muss man ruhigstellen. Der Zürcher Orthopäde Daniel Wüst sagt: «Nach drei Monaten kann man wieder normal gehen und mit leichtem Sport anfangen.»
Die Operation ist nicht nur teuer, sie führt auch oft zu Komplikationen. Das zeigte eine Übersichtsstudie mit rund 16 000 Teilnehmern im renommierten «British Medical Journal» im vergangenen Jahr. Knapp 5 von 100 Operierten hatten nach der Operation Probleme. Die Wunde heilte schlecht oder es kam zu Infektionen. Orthopäde Dubs sagt: «Die Infektionen können auch schwerwiegend verlaufen.» Patienten brauchen dann Antibiotika, die Heilung dauert länger und die Sehne kann Schaden nehmen. Kommt dazu: Bei einer Operation erhält der Patient eine Narkose, die ihn belastet. Und nach der Operation bleibt am Fuss eine Narbe zurück.
Einer der wenigen Vorteile der Operation: Das Risiko ist etwas tiefer, dass die Achillessehne erneut reisst. Untersuchungen kamen zum Schluss, dass das aber nur bei zwei bis vier von hundert operierten Patienten passiert. Bei Patienten, die auf eine Operation verzichteten und dafür eine Schiene trugen, geschah das bei vier bis sechs Patienten. «Der Unterschied ist zu gering, um die teure Operation zu rechtfertigen», sagt Dubs dazu.
Operation nur bei einem zweiten Riss nötig
Eine Operation kann allenfalls bei Leistungssportlern sinnvoll sein. Danach erholt sich die Kraft in der Wade etwas besser. Denn beim Vernarben wird die Sehne manchmal ein wenig länger. Der Sport- und Rheumaarzt Christoph Reich aus Zürich sagt: «Das spielt aber nur bei sehr hohen sportlichen Ansprüchen eine Rolle.» Im Alltag merke man davon nichts.
In einem Punkt sind sich die Fachleute einig: Eine Operation ist nur dann für alle Patienten nötig, wenn die Sehne zum zweiten Mal reisst. Dann ist das Gewebe nicht mehr stark genug.
Wichtig: Man sollte die Wadenmuskeln kräftigen und elastisch halten, um einen Riss der Achillessehne zu vermeiden. Orthopäde Daniel Wüst rät, sie regelmässig zu dehnen (siehe Kasten). Das gilt vor allem für Personen, die immer wieder an Schmerzen in der Achillessehne leiden. Denn eine vorgeschädigte Sehne reisst leichter.
So schützen Sie die Achillessehne
- Dehnen Sie die Waden regelmässig: Stellen Sie sich zum Beispiel mit dem Vorfuss auf ein dickes Buch und mit der Ferse dahinter auf den Boden.
- Wärmen Sie sich vor dem Sport gut auf.
- Rollen Sie beim Laufen über den ganzen Fuss ab, das Hauptgewicht liegt auf dem Mittelfuss.
- Tragen Sie Schuhe mit einem stabilen Fersenbereich. Die Ferse darf beim Laufen nicht seitwärts kippen.
- Verzichten Sie möglichst auf Antibiotika mit Wirkstoffen wie Ciprofloxacin oder Levofloxacin. Diese können die Sehnen angreifen.