Gut 5,5 Millionen Stimmberechtigte erhielten in den letzten Tagen das rote «Bundesbüchlein» zur Abstimmung vom 18. Juni. Es enthält Fakten und Kommentare zu drei Vorlagen: der OECD-Mindestbesteuerung, dem Klimagesetz und der Verlängerung des Covid-19-Gesetzes. Ausgewogen sind diese «Abstimmungserläuterungen des Bundesrates» nicht. Schon vom Umfang her: Bei der OECD-Besteuerung stammt der ganze Text von zwölf Seiten aus der Bundeskanzlei – die Gegner der Vorlage kommen nicht zu Wort.
Beim Klimagesetz sind die Ausführungen der Bundeskanzlei dreimal so lange wie die Argumente der Gegner. Das gleiche Verhältnis findet sich beim Covid-19-Gesetz. Die beiden Referendumskomitees mussten sich auf rund 2500 Zeichen beschränken.
Bundeskanzlei entschärft die Argumente der Gegner
Die Bundeskanzlei entscheidet auch darüber, welche Argumente ein Initiativ- oder Referendumskomitee im Abstimmungsbüchlein präsentieren darf. Das zeigen interne E-Mails des Bundes zum Urnengang vom 18. Juni, die saldo gestützt auf das Öffentlichkeitsgesetz einsehen konnte.
Ein Beispiel: Die SVP bekämpft das Klimagesetz. Sie wollte ins Bundesbüchlein schreiben, dass der Bundesrat Heizöl, Gas, Diesel und Benzin sowie Flugreisen und Fleischkonsum verbieten dürfe, wenn dieses Gesetz angenommen würde. Im aktuellen Abstimmungsbüchlein wurde die Aussage entschärft: Es heisst nur noch, der Bundesrat könne «im Alleingang extreme Massnahmen verlangen».
Gegner müssen Quellen nennen – der Bundesrat nicht
Von den Referendumskomitees verlangt die Bundeskanzlei, dass sie für jede Äusserung in ihrem Text eine Quelle nennen. Für die Argumente des Bundesrats gilt das nicht.
Die Gegner des Covid-19-Gesetzes zum Beispiel mussten nicht nur für die zitierten Studien, sondern auch für die öffentlichen Aussagen von Bundesräten die Quellen nennen. Im aktuellen Abstimmungsbüchlein steht deshalb beispielsweise bei Alain Bersets Behauptung, mit dem Zertifikat könne man zeigen, dass man nicht ansteckend sei, wo und wann er das sagte – nämlich «am 27. Oktober 2021 in der Tagesschau von SRF». Jede verlangte Quellenangabe verkleinert den ohnehin knappen Platz für Gegenargumente.