Die Stimmung im Saal des Bezirksgerichts Pfäffikon ZH ist gehässig, einmal fällt vom Anwalt des Klägers das Wort «Vollpfosten». Der Beklagte bezieht das auf sich, sein Anwalt muss die Wogen glätten.
Der Beklagte hatte vor gut eineinhalb Jahren sein Auto in einem Zürcher Parkhaus unbefugt auf einem privaten Parkplatz abgestellt. Nach rund 60-minütiger Abwesenheit kehrte er zu seinem Fahrzeug zurück. Dabei beobachtete der Wagenbesitzer, wie dieses auf einen Abschleppwagen geladen wurde. Er konnte das gerade noch verhindern. Wenige Tage später flatterte ihm eine Rechnung der Abschleppfirma über 620 Franken ins Haus.
Der Falschparkierer weigerte sich, diesen Betrag zu bezahlen. Die Abschleppfirma klagte ihn ein und fordert inklusive Mahngebühr Fr. 643.30 plus Zins. Zur Gerichtsverhandlung sind sowohl der Autofahrer als auch der Vertreter der Abschleppfirma mit einem Anwalt erschienen.
Gestritten wird im Saal über eine rechtliche Frage, über welche das Bundesgericht noch nie entschieden hat: Darf ein Abschleppdienst einem fehlbaren Fahrzeughalter eine Pauschale für den Aufwand in Rechnung stellen? Oder muss er die Kosten des Einsatzes detailliert ausweisen?
Aus Kulanz zahlte der Falschparkierer 250 Franken
Für den Anwalt des Beklagten ist die Sache klar: «Der Schaden ist konkret nachzuweisen», sagt er. «Der ausgerückte Mitarbeiter der Abschleppfirma hatte einen Arbeitsaufwand von einer halben Stunde, berechnet werden aber Kosten von über 600 Franken. Das ist überrissen.» Aus Kulanz habe der Autobesitzer 250 Franken bezahlt. Mehr sei nicht geschuldet.
Der Anwalt der Firma sieht die Sache anders: «Bei vielen Rechnungen, zum Beispiel von Spitälern oder Behörden, wird mit Pauschalen gearbeitet. Weshalb sollen für Abschleppdienste andere Regeln gelten?» Jeden Posten eines Abschleppvorgangs «auszubeineln» bedeute für seinen Klienten einen unvertretbaren Aufwand. Er orientierte sich deshalb an den Tarifen, welche die Zürcher Stadtpolizei für Abschleppaktionen in Rechnung stellt – ergänzt um Zusatzkosten wie die Mehrwertsteuer, die für private Abschleppfirmen anfallen.
Die Richterin teilt diese Ansicht nicht: «Pauschalen können Anhaltspunkte liefern. Aber das heisst nicht, dass man die Abschleppkosten pauschal festlegen kann», sagt sie. Und: «Das Gericht würde die Klage eher abweisen.»
Der Kläger will von einem Entgegenkommen und einem allfälligen Vergleich trotz dieser gerichtlichen Einschätzung der Rechtslage aber nichts wissen: «Wir verstehen die Argumentation des Gerichts nicht und wollen einen Entscheid – wenn es sein muss auch einen der nächsten Instanz, des Obergerichts», sagt der Anwalt der Firma.
Kläger zieht Klage mangels Erfolgsaussichten zurück
Eine Woche später kommt die Abschleppfirma aber auf die Sache zurück. Sie zieht die Klage zurück und trägt die Gerichtsgebühr und die Anwaltsentschädigung von total rund 344 Franken.
Den Klagerückzug begründet der Anwalt gegenüber saldo so: «Die Kosten für den Rückzug halten sich im Rahmen. Und aufgrund der negativen Prognose des Bezirksgerichts Pfäffikon ist dieser Fall nicht optimal, um die Frage zu klären, ob ein Abschleppunternehmen mit Pauschalen arbeiten kann oder nicht.» Der Anwalt kündigte an, es wieder mit einem ähnlichen Fall zu versuchen, um mit diesem einen Entscheid in seinem Sinn zu erwirken.
Bezirksgericht Dietikon: Fotografieren verboten
Verhandlungenin Zivil- und Strafsachen sind grundsätzlich öffentlich. Wer will, kann als Besucher teilnehmen. Film- und Fotoaufnahmen während der Verhandlungen sind hingegen zum Schutz der Persönlichkeit der Beteiligten untersagt. saldo berichtet in jeder Ausgabe über einen zivilen Gerichtsprozess. Dazu zeigt die Redaktion meistens ein Bild des Gerichtssaals, in dem die Verhandlung stattgefunden hat. Bisher erlaubten alle angefragten Gerichte solche Fotos. Anders der Präsident des Bezirksgerichts Dietikon ZH: Er verbot, den leeren Gerichtssaal zu fotografieren. saldo wehrte sich dagegen bis vor Bundesgericht. Ohne Erfolg. Die Bundesrichter befanden, gegen solche Anordnungen des Gerichts sei keine Beschwerde zulässig.
Bundesgericht, Urteil 1C_325/2020 vom 28. Juni 2021