Die gut 50-jährige Vermieterin erscheint mit ihrem Anwalt vor der Einzelrichterin. Auch der etwa gleichaltrige Mieter wird von einer Anwältin begleitet.
Die Klägerin verlangt vom ausgezogenen Mieter exakt 27 694 Franken. Laut ihrem Anwalt sei der Mieter vor rund zehn Jahren in ein Haus mit Garten in tadellosem Zustand eingezogen. Damals wurde ein Einzugsprotokoll erstellt. «Darin waren keinerlei Mängel, auch nicht im Garten, festgestellt worden», betont der Anwalt. Nach dem Auszug des Mieters aber enthielt das Abnahmeprotokoll eine Liste mit zahlreichen Mängeln. Der Mieter habe sie anerkannt, indem er das Protokoll unterschrieben habe. «Damit hat er auch zugegeben, dass die Mängel nicht durch normale Abnützung entstanden waren», so der Anwalt der Vermieterin. Der eingeklagte Betrag ergebe sich aus Offerten, die er eingeholt habe.
Die Anwältin des Beklagten stellt den Antrag, die Klage sei nur im Umfang von 800 Franken gutzuheissen. Laut ihren Ausführungen war die Abnützung schon beim Einzug im Jahr 2004 sehr gross. Und während der ganzen Mietdauer habe die Klägerin nie Unterhaltsarbeiten am Haus vorgenommen, auch wenn ihr der Beklagte Mängel mitgeteilt habe. Der Unterhalt des Hauses obliege aber dem Vermieter.
Schon bei Mietantritt wuchs im Garten Gras zwischen Steinplatten
In der Folge geht die Anwältin auf die einzelnen von der Vermieterin geltend gemachten Posten ein. «Die Instandstellung des Gartens – Jäten, Rasenmähen, Sträucher und Bäume zurückschneiden, Blätter entsorgen, Gras zwischen den Platten herausnehmen – für welche die Gegenseite beinahe 20 000 Franken verlangt, obliegt nicht meinem Klienten, da die Nebenkosten nur durch den Mieter bezahlt werden müssen, wenn dies speziell abgemacht wurde.» Dies sei aber nicht der Fall gewesen. «Mein Klient hat den Garten im selben Zustand zurückgegeben, in dem er ihn zu Mietbeginn übernommen hat.»
Die anderen Posten – Malerarbeiten, Ausbesserung von Türrahmen, Abschleifen der Parkettböden, Ersatz der Dichtung beim Mischventil im Badezimmer und Reparatur angeblich defekter Lampen – bestreitet die Anwältin mit der Begründung, es liege keine übermässige Abnützung vor.
Der Anwalt der Klägerin ist damit nicht einverstanden. Der Garten sei verwildert gewesen, obwohl im Mietvertrag klar abgemacht worden sei, dass der Umschwung durch den Beklagten unterhalten werden muss. «Meine Klientin hat ein Recht darauf, dass der Garten so aussieht wie bei der Übergabe.»
Aussagen von drei Zeugen sollen Klarheit bringen
Die Anwältin des Mieters entgegnet ihm: «Die Klägerin hat zu beweisen, dass sich der Garten in einem schlechteren Zustand als zur Zeit des Einzugs meines Klienten befand – dies dürfte ihr nicht gelingen.»
In der Folge befragt die Einzelrichterin drei Zeugen. Die erste Zeugin hatte beim Auszug das Abnahmeprotokoll erstellt. Sie schildert detailliert einige Mängel bei der Übergabe. «Überall war Schimmel, auch im Bad. Zudem war die Küche fettig und es gab viele defekte Glühbirnen.» Auch seien die Teppiche und der Sitzplatz nicht gereinigt worden. Der zweite Zeuge, ein Gärtner, erläutert seine Offerte über 18 870 Franken für die Instandstellung des Gartens. Der dritte Zeuge, ein Maler, gibt zu Protokoll, es sei in jedem Zimmer etwas kaputt gewesen, «das meiste davon waren Mieterschäden».
Parteien schliessen auf Vorschlag der Richterin einen Kompromiss
Nach einer kurzen Pause beurteilt die Einzelrichterin den Streitfall aus ihrer Sicht. Einige Abnützungen würden «das normale Mass übersteigen». Im Garten rechne sie mit Kosten von mindestens 4000 bis 5000 Franken, um das Nötigste zu machen. «Dazu kommen Malerarbeiten, die Reinigung, der Ersatz von Fensterscheiben und Lampen, die Reparatur der Böden und die Bezahlung von verlorenen Ersatzschlüsseln.»
Die Richterin schlägt den Parteien einen Vergleich vor: Der Beklagte zahlt der ehemaligen Vermieterin innert Monatsfrist 8000 Franken. Die Gerichtskosten von 1500 Franken werden von den Parteien je zur Hälfte übernommen. Und jede Partei trägt die eigenen Anwaltskosten. Nach kurzem Zögern nehmen die Parteien den Vergleich an.
Schlichtung bei Mietstreitigkeiten gratis
In der Regel gilt: Wer eine Behörde oder ein Gericht bemüht, muss mit Kosten rechnen. Das gilt auch beim Prozessieren. Und zwar vom ersten Schritt an: Seit Einführung der schweizerischen Prozessordnung müssen Klagen in den meisten Fällen bei einer Schlichtungs-behörde eingereicht werden. Diese versucht, die Auseinandersetzung zwischen den Parteien in einem frühen Stadium ohne Gerichtsverfahren zu erledigen – durch Rückzug, Vergleich oder Anerkennung der Klage.
Ein Schlichtungsverfahren kostet meist einige Hundert Franken. Ausnahme: Die Schlichtungsbehörde in Mietsachen. Sie erhebt keine Kosten. Erst wer nachher an das Mietgericht gelangt, muss mit Gerichtskosten rechnen.