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Braucht es höhere Grenzwerte für Mobilfunkstrahlen? Ja, sagen Swisscom, Sunrise und Salt. Sonst könnten sie den neuen Mobilfunkstandard 5G nicht zügig ausbauen. Nein, sagen besorgte Bürger und die Kantone Genf, Waadt und Jura. Sie haben den Bau von 5G-Antennen gestoppt.
Im Auftrag des Bundesrats soll die Arbeitsgruppe «Mobilfunk und Strahlung» im Sommer Empfehlungen über Grenzwerte abgeben. Die Gruppe setzt sich zusammen aus Vertretern von Bundesämtern, Telekomfirmen, Städten, der Ärzteschaft und Strahlenexperten.
Grundlage für die Empfehlung ist unter anderem ein Rechtsgutachten vom Herbst 2018. Es wurde bisher nicht veröffentlicht, liegt aber saldo vor. Der etwas umständliche Titel lautet «Schutz vor nichtionisierenden Strahlen: Anwendung des Vorsorgeprinzips bei ausbleibendem Gefahrennachweis». Hauptautor ist Peter Hettich, Professor für öffentliches Wirtschaftsrecht an der Universität St. Gallen. Auf 69 Seiten erläutert er, wieso der Bundesrat die Grenzwerte erhöhen müsse: Die «jahrzehntelange Forschung» habe die schädlichen Wirkungen der Strahlung von Mobilfunkantennen «wissenschaftlich nicht bestätigen» können. Nachgewiesen sei nur, dass die Strahlung zur Erwärmung des Körpers führen könne. Das Vorsorgeprinzip müsse sich aber auf eine «reelle, plausible Schadenswahrscheinlichkeit stützen». Diese fehle beim Mobilfunk. Der Bundesrat sei daher «rechtlich dazu verpflichtet», die Vorsorgemassnahmen zu lockern oder aufzuheben.
Auftraggeber des Gutachtens war der Verband der Telekommunikation Asut. Im Vorstand sitzen die Chefs von Swisscom und Sunrise.
Unabhängige Experten kritisieren das Gutachten. Zum Beispiel Sebastian Heselhaus, Professor an der Uni Luzern. Er weist darauf hin, dass das Vorsorgeprinzip Eingriffe in die Wirtschaftsfreiheit erlaube, auch wenn Gefahren für Schäden noch nicht umfassend wissenschaftlich belegt seien. Er fordert, «Einwirkungen, die schädlich oder lästig werden könnten, frühzeitig zu begrenzen». Das Gutachten ziele aber darauf ab, die wirtschaftlichen Interessen stärker zu gewichten.
«Studie ist ein Generalangriff auf das Vorsorgeprinzip»
Strahlenexperte Sven Kühn von der Zürcher IT’IS Foundation hält die Gefahreneinschätzung der Gutachter für falsch: Neue Studien würden eher darauf hindeuten, dass Mobilfunkstrahlen schaden können. Die Krebsforschungsagentur der Weltgesundheitsorganisation stufe sie als «möglicherweise krebserregend» ein. Eine im Herbst veröffentlichte US-Studie zeigt, dass sie bei Ratten Krebs auslösen können.
Für Peter Kälin, Präsident des Vereins Ärztinnen und Ärzte für den Umweltschutz, stellt das Gutachten einen «Generalangriff auf das Vorsorgeprinzip und den Gesundheitsschutz der Bevölkerung dar». SP-Nationalrat Thomas Hardegger findet es stossend, dass die Mobilfunkfirmen durch die Hintertür den Entscheid des Parlaments aufzuheben versuchen. Der Ständerat hat wiederholt höhere Grenzwerte abgelehnt (saldo 4/2018). Asut-Geschäftsführer Christian Grasser verteidigt das Gutachten als «sachliche Grundlage» für die Diskussion.
Es ist nicht der einzige Versuch des Verbandes der Telekommunikationsbranche, mit angeblich objektiven Studien Stimmung zu machen. Im April veröffentlichte er eine weitere Auftragsstudie. Darin behaupteten die britischen Autoren, dass eine Verzögerung beim 5G-Netzausbau die Wettbewerbsfähigkeit der Schweizer schmälere und zu Verlusten von bis zu 10 Milliarden Franken führten. Der «Tages-Anzeiger» übernahm die These (siehe unten).
Ausbau des Glasfasernetzes wäre sinnvoller
Warum kämpfen die Telekomfirmen verbissen für höhere Grenzwerte? Es geht um viel Geld. Swisscom, Sunrise und Salt ersteigerten im Frühjahr zusammen für 380 Millionen Franken vom Bund neue 5G-Frequenzen. Diese Ausgaben wollen sie mit neuen Einnahmen möglichst rasch wieder hereinholen.
Für Experte Sven Kühn ist klar: «Die jetzigen Grenzwerte einzuhalten, ist ökonomisch und technisch machbar, wenn auch aufwendig.» Nationalrat Hardegger schlägt vor, das Glasfasernetz auszubauen. 5G-Mobilfunk sollte nur Ergänzung sein. So könnten mehr Leute zu Hause schneller surfen, würden aber weniger verstrahlt. Harry Künzle, Leiter Umwelt und Energie der Stadt St. Gallen, favorisiert ein Kleinzellennetz. Die Betreiber sollten ein 5G-Netz aus vielen kleinen Antennen in kurzen Abständen errichten. Das strahle weniger, da die Wege zwischen Antenne und Handy kurz sind. Er schätzt die Kosten auf 400 Millionen. Höhere Grenzwerte seien unnötig.
Von all diesen Vorschlägen halten die Telekomfirmen wenig. Sunrise und Salt haben kein Glasfasernetz. 5G ist ihre einzige Chance, der Swisscom Handykunden abzujagen. Alle drei behaupten auf Anfrage: Kleinzellennetze reichten für ein flächendeckendes 5G-Netz nicht aus. Insgesamt könnten sie zwei Drittel der Antennenstandorte wegen der bestehenden Grenzwerte nicht mit stärkeren 5G-Sendern hochrüsten. Wenn der Bund die Grenzwerte erhöhe, müssten weniger neue Anlagen gebaut werden.
Fragwürdige Swisscom-Werbung
Swisscom und Sunrise rühren für 5G kräftig die Werbetrommel. Am 12. Mai publizierte die «Sonntags-Zeitung» nicht weniger als acht Seiten Swisscom-Werbung – zwei davon in redaktionellem Layout. Einen Tag später publizierten «Tages-Anzeiger», «Berner Zeitung», «Bund» und «Basler Zeitung» je eine Doppelseite mit redaktioneller Swisscom-Werbung. Oben auf der Seite stand «Sponsored», unten der kleingedruckte Hinweis: «Der Beitrag wurde vom Commercial Publishing Tamedia in Zusammenarbeit mit Swisscom erstellt.» Am nächsten Tag lautete eine Schlagzeile im «Tages-Anzeiger»: «Widerstand gegen 5G gefährdet Jobs.»
Der Presserat rügt, dass «kommerzielle Inhalte» durch diese Aufmachung nicht mehr «eindeutig» als solche zu erkennen seien. Das untergrabe «die Glaubwürdigkeit des Journalismus» und zeuge von einem Mangel an Respekt vor der Leserschaft.
Die Tamedia sagt, es bestehe eine klare Trennung zwischen Redaktion und bezahlten Beiträgen. Das sei transparent ausgewiesen. Sie bestreitet jede Einflussnahme von Werbekunden auf die redaktionellen Inhalte. Swisscom und Sunrise machen keine Angaben zu den Werbeausgaben für 5G.