Der «Sonntagsblick» vom 20. September titelte: «Schock-Zahlen: Arbeitnehmer zahlen Milliarden für ihre pensionierten Kollegen.» Auf der Doppelseite durften die Lebensversicherung Axa Winterthur und die Pensionskassen jammern. 3,5 Milliarden Franken würden jährlich von den aktiven Versicherten zu den Rentnern umverteilt, so die «Schätzung der Axa».
Hervorragende Rendite von 8,6 Prozent
Richtig ist: Die acht in der beruflichen Vorsorge tätigen Versicherer erzielten im letzten Jahr mit den Guthaben der Versicherten und Rentner gemäss Finanzmarktaufsicht (Finma) eine Rendite von 8,6 Prozent. Angesichts der heutigen Lebenserwartung der Schweizer muss die 2. Säule im Durchschnitt aber nur eine jährliche Rendite von 3,5 Prozent erreichen, damit das von den Rentnern ersparte Geld bis zum Ableben reicht.
Das heisst: Die Lebensversicherer haben im letzten Jahr sehr gut an den Rentnern verdient. Von einer Umverteilung kann keine Rede sein. Aber auch an den aktiv Versicherten verdienten sie gut. Denn der Mindestzins für die Verzinsung der Altersguthaben der Angestellten betrug nur 1,75 Prozent.
Die Lebensversicherer verwalten das Pensionskassenkapital von 44 Prozent oder 3,9 Millionen Angestellten der Schweiz. Im letzten Jahr verdienten die acht Lebensversicherer im Geschäft mit der 2. Säule 686 Millionen Franken (siehe Unten). Die Versicherer dürfen nämlich 10 Prozent der jährlichen Bruttoeinnahmen als Gewinn abschöpfen.
Der Bundesrat wollte im Rahmen der Reform «Altersvorsorge 2020» diesen Betrag auf 8 Prozent der Bruttoeinnahmen senken. Doch die Lebensversicherer verfügen im Ständerat über ausreichend Interessenvertreter. Er entschied mit 28 zu 15 Stimmen: An den 10 Prozent soll nicht gerüttelt werden.
«Die Bevölkerung muss bluten»
Die Gewerkschaft Travail Suisse kritisiert die riesigen Gewinne der Versicherungen. Die Bevölkerung müsse bei der Altersvorsorge 2020 bluten, während sich die Versicherungsindustrie am Pensionskassengeld bediene, so Matthias Kuert Killer, Leiter Sozialpolitik bei Travail Suisse. Nach dem Willen der Gewerkschaft sollen die Versicherer höchstens 5 Prozent der Einnahmen in ihre Tasche abzwacken dürfen.
Nicht nur diese Gewinne werden den Angestellten vorenthalten, sondern teilweise auch die Erträge aus dem Alterskapital. Sie landen in einem Überschussfonds, der zurzeit mit 1,7 Milliarden prall gefüllt ist. Die Gelder dieses Fonds müssen zwar innert fünf Jahren den Altersguthaben gutgeschrieben werden. Aber weil das erst nach fünf Jahren erfolgen muss, entgehen den Angestellten so Zinsen auf ihrem Alterskapital. Von diesem mit dem Überschussfonds erzielten Ertrag können die Versicherer erneut 10 Prozent kassieren. Das geht aus einer Antwort des Bundesrats zur Interpellation «Stopp dem Rentenklau» hervor.
Das lukrative Geschäft mit der 2. Säule
Die in der 2. Säule tätigen Versicherungen behaupten stets, die Renten müssten gekürzt werden, weil sonst das System der beruflichen Vorsorge zusammenbreche. Der Ständerat hat aus diesem Grund vorletzte Woche eine Rentenkürzung von 12 Prozent beschlossen.
Tatsache ist jedoch: Die 2. Säule beschert den Versicherungen hohe Gewinne. 2014 machten sie über sämtliche Geschäftszweige hinweg 1,1 Milliarden Franken Gewinn. Mit 686 Millionen stammt mehr als die Hälfte davon aus der 2. Säule.
In den letzten zehn Jahren haben die Lebensversicherer mit dem Sozialversicherungsgeschäft gemäss Finma insgesamt fast 5 Milliarden Franken verdient.
Zugleich verfügen die Versicherer in der 2. Säule über hohe Reserven. 2014 erhöhten sie die technischen Rückstellungen um 1,65 Milliarden Franken. Dazu flossen noch 800 Millionen in den Überschussfonds.