An einem warmen Frühlingstag vor sieben Jahren passiert es: Landschaftsgärtner Stefan S. und ein Arbeitskollege laden Baumstämme auf einen Pneulader. Stefan S. ist einen Moment lang unachtsam und stolpert. Dabei gerät er unter den Pneulader. Das tonnenschwere Ungetüm fährt über seine Beine. Die Folge: diverse Knochenbrüche, gerissene Sehnen und kaputte Sprunggelenke. Nach langen Aufenthalten im Zürcher Triemlispital und der Rehaklinik Bellikon AG arbeitet Stefan S. heute wieder als Landschaftsgärtner. Die Kosten für Ärzte, Spital und Wiedereingliederung zahlte die Schweizerische Unfallversicherungsanstalt Suva. Wäre Stefan S. invalid geworden, hätte ihm die Suva eine lebenslange Rente in der Höhe von 80 Prozent seines letzten Lohnes ausgerichtet.
Die Zahl der Unfälle ging markant zurück
Die Gesamtzahl der Empfänger von Invaliditäts- und Hinterlassenenrenten ist bei der Suva von 2009 bis 2016 um 10,3 Prozent zurückgegangen. In der gleichen Zeit sank auch die Zahl der Berufsunfälle und -krankheiten: von 94,2 auf 85,1 je 1000 vollbeschäftigte Personen.
Trotzdem legt die Suva jedes Jahr mehr Geld auf die Seite. Im Jahr 2006 betrug ihr Anlagevermögen gemäss den Geschäftsberichten 32,9 Milliarden Franken. Im letzten Jahr waren es bereits 51,2 Milliarden (siehe Grafik im PDF). Das ist ein Anstieg von 55,6 Prozent. Zum Vergleich: Das Kapital der AHV lag 2016 bei 44,7 Milliarden Franken, also klar tiefer.
Die Suva versichert knapp zwei Millionen Angestellte (auf Vollzeitstellen gerechnet) sowie registrierte Arbeitslose obligatorisch gegen Unfälle und Berufskrankheiten. Unternehmen aus bestimmten Branchen, etwa Baufirmen oder Elektrizitätswerke, können ihre Unfallversicherung nicht frei wählen, sondern müssen ihre Mitarbeiter bei der Suva versichern. Weitere zwei Millionen Angestellte sind bei Privatversicherungen obligatorisch gegen Unfälle und Berufskrankheiten versichert.
43 Prozent mehr Reserven als Verpflichtungen
Die Privaten horten trotz der fast gleichen Zahl Versicherter viel weniger Reserven als die Suva. Axa, Zürich & Co. geben aber kaum Zahlen zum Geschäftsverlauf in der obligatorischen Unfallversicherung heraus. Deshalb ist ein exakter Vergleich mit der Suva nicht möglich. Die Sozialversicherungsstatistik 2015 zeigt jedoch, dass die Reserven der Privaten nur ein Drittel so hoch sind.
Die Suva verteidigt ihre riesigen Reserven: Sie versichere Angestellte aus Branchen mit weit höheren Risiken als die privaten Versicherer. Entsprechend habe sie deutlich mehr Rentenfälle. Für diese muss sie gemäss Gesetz das vollständige Rentenkapital zurückstellen. Allerdings: Die Zahl der Neurenten nimmt ab. 2009 zählte die Suva 2050 neue Invaliditätsrenten, 2016 waren es nur noch 1670. Zurzeit liegt der Deckungsgrad bei 143 Prozent. Das heisst: Die Rückstellungen der Suva sind fast um die Hälfte höher als ihre Verpflichtungen gegenüber den Versicherten.
Ferner argumentiert die Suva mit den «Risiken an den Finanzmärkten». Sie hätten «erheblich zugenommen». Deshalb brauche es hohe Reserven. Tatsache jedoch ist: Im Jahr 2017 erzielte die Suva auf ihren Anlagen einen Gewinn von 7,8 Prozent. Das Vermögen stieg in der Folge um 3,2 Milliarden Franken. In den fünf vorangehenden Jahren betrug die durchschnittliche Rendite stattliche 5,1 Prozent.
Fazit: Die Suva schwimmt im Geld. Immerhin hat sie in den meisten Versicherungszweigen die Prämien gesenkt – und zwar während acht Jahren in Folge.