Nicht nur viele ältere, auch jüngere Menschen haben schlechte Zähne. B. ist Zahnarzt im Grossraum Zürich. In seine Praxis kommen häufig Patienten, die finanziell nicht auf Rosen gebettet sind. Benötigen sie ein oder mehrere Zahnimplantate, kann sie das in Geldnöte bringen.
Ein gängiges Implantat des Markenherstellers Straumann kostet den Zahnarzt im Einkauf 726 Franken inklusive Zusatzkosten. Nachahmerprodukte der Marken Dental Ratio und Implant Direct sind mit 343 Franken respektive Fr. 251.25 klar günstiger.
«Ich will keine überteuerten Produkte verkaufen»
Zahnarzt B. schlägt seinen Patienten sofern möglich die weniger als halb so teuren Nachahmerimplantate vor: «Ich mache das für die Kunden. Ich will keine überteuerten Produkte verkaufen, wenn ich eine gute Alternative habe.» Mit beiden günstigen Systemen hat er über Jahre gute Erfahrungen gemacht. Das Produkt von Dental Ratio ist eine Kopie des Straumann-Originals. Der Zahnarzt kann deshalb dieselben chirurgischen Instrumente verwenden.
Auch Zahnarzt Umberto Schläpfer aus Dietikon ZH hat in den letzten vier Jahren mehrere Hundert Nachahmerimplantate von Dental Ratio eingesetzt. «Qualitativ hat sich bis heute kein Unterschied bemerkbar gemacht. Es handelt sich nicht um ein Billigprodukt.» Marc-Aurel Weinmann von der Zahnpraxis Sanadent in St. Gallen stimmt zu: «Es ist fast identisch nachgebaut.»
Die grosse Mehrheit von Zahnärzten arbeitet dennoch mit teureren Markenprodukten. 80 000 Implantate werden jährlich in der Schweiz eingesetzt. Davon stammen laut Schätzungen eines Branchenkenners rund 80 Prozent von den drei grossen Markenherstellern Straumann, Nobel Biocare und Astra/Dentsply. Straumann allein soll es auf rund 60 Prozent Marktanteil bringen.
Die Nachahmerprodukte tun sich im Implantatemarkt schwer. Die Gründe: Zahnärzte übernehmen für das Behandlungsergebnis die Verantwortung – nicht die Hersteller. So gewähren viele Zahnärzte auf Implantatbehandlungen eine Garantie für fünf oder gar zehn Jahre.
Für den Luzerner Zahnarzt Beat R. Kurt kommt der Einsatz von Nachahmerprodukten nicht in Frage: «Ich setze nur Implantate der Firma Straumann ein. Sie sind ein Premiumprodukt – und ich mache damit seit 20 Jahren gute Erfahrungen.»
Preisüberwacher: Geringe Preissensibilität der Zahnärzte
Den Zahnärzten können die Preise der Lieferanten egal sein. Sie überwälzen die Kosten fürs Material auf den Patienten. Schon 2009 stellte der Preisüberwacher in einer Untersuchung zu Implantatpreisen fest: «Insgesamt scheint es, dass die Zahnärzte bei den Zahnimplantaten eine geringe Preissensibilität aufweisen. Dieses Thema wird anlässlich des Patientengesprächs kaum behandelt.»
Anhand aktueller Preislisten der Hersteller sowie mit Unterstützung von Zahnärzten hat saldo die Preise unter die Lupe genommen. Verglichen wurden die Einkaufskosten der Zahnärzte für das eigentliche Implantat mit Aufbauelement und Schraube, ohne die Krone.
Ergebnis: Mit Abstand am günstigsten sind die Implantate von Implant Direct. Das meistverwendete Implantat dieses Herstellers kostet einen Zahnarzt im Einkauf Fr. 251.25. Bei Dental Ratio beträgt der Zahnarzt-Einkaufspreis für das am häufigsten verwendete Implantat 343 Franken. Mehr als das Doppelte kosten vergleichbare Markenprodukte: 726 Franken bei Straumann, 748 Franken bei Nobel Biocare und 782 Franken bei Astra/Dentsply.
Zum Einkaufspreis des Zahnarztes kommen 8 Prozent Mehrwertsteuer hinzu. Ferner erheben Zahnärzte einen sogenannten Lagerhaltungszuschlag von – in der Regel – 20 Prozent. Das heisst für den Patienten: Die Materialkosten für ein Einzelimplantat belaufen sich auf Fr. 325.60 (Implant Direct) bis Fr. 1013.45 (Astra/ Dentsply). Das günstigste Implantat kostet also weniger als ein Drittel des teuersten.
Straumann und Nobel Biocare weisen darauf hin, dass sie auch günstigere Implantate im Sortiment führen. Allerdings sind diese nicht in allen Durchmessern erhältlich und deshalb auch nicht für alle Patienten geeignet.
Patienten sollten nach den günstigen Implantaten fragen
Straumann begründet seine Implantatpreise so: Durch die Ausgaben für Forschung und Entwicklung, klinische Studien, Qualitätsprüfungen, Materialien, lebenslange Garantie und gesicherte Verfügbarkeit von Ersatzteilen sei ein Marken-Implantat teurer als ein Nachahmerprodukt.
Daniel Buser, Präsident Implantatstiftung Schweiz und Professor an der Klinik für Oralchirurgie der Universität Bern, streicht die Vorteile von Markenprodukten heraus, darunter die Qualität und den Nachweis hervorragender Langzeitergebnisse. «Solange Nachahmer-Implantatsysteme wie jene von Dental Ratio und Implant Direct keine guten wissenschaftlichen Dokumentationen aufweisen, werden sie es in der Schweiz schwer haben.»
Marcel André Fischer, Chef der Medical Sales Services, vertreibt in der Schweiz die Produkte des deutschen Herstellers Dental Ratio. Er betont, dass die Produktion der Nachahmerimplantate strengen Qualitätstests unterliegt. Doch er gibt zu, dass keine klinischen Studien vorliegen. Das habe damit zu tun, dass es für Nachahmerhersteller sehr schwierig sei, an einer Universität eine Studie platzieren zu können.
Marc-Aurel Weinmann von der St. Galler Sanadent rät Patienten, die ein Implantat benötigen, ihren Zahnarzt nach günstigeren Alternativen zu fragen. Sind nur teure Markenprodukte im Angebot, kann sich ein Zahnarztwechsel lohnen.
Implantate: Zahnwurzeln aus Titan
Ein Implantat ist eine künstliche Zahnwurzel, die wie eine Schraube im Kieferknochen verankert wird. Meist besteht das Implantat aus gehärtetem Titan. Dieses Material heilt gut im Knochen ein und löst sehr selten Entzündungen aus. Nach der Heilphase schraubt der Zahnarzt ins Implantat ein Aufbauelement, das die sichtbare, künstliche Zahnkrone hält. Diese besteht aus Vollkeramik oder einem verblendeten Metallkern.
Implantate eignen sich als Ersatz für einzelne Zähne, aber auch zum Füllen von Mehrfachzahnlücken. Eine Vollprothese auf Implantaten ist ebenfalls möglich. Moderne Implantate können 30 und mehr Jahre halten.