Torf: Unnötiger Raubbau an der Natur
Hobby- und Profigärtner verbrauchen bis zu 150 000 Tonnen Torf im Jahr aus dem Ausland und verursachen riesige Umweltschäden. <br />
Dabei gibt es gute Ersatzprodukte.
Inhalt
saldo 05/2013
20.03.2013
Eric Breitinger
Der Bundesrat möchte den Einsatz von Torf aus Umweltschutzgründen verringern. Dazu ruft die Regierung die Gartenbranche und Hobbygärtner aber nur vage zur freiwilligen Selbstbeschränkung auf – anstatt klare Reduktionsziele zu nennen.
Ob Appelle nützen, ist fraglich. Die Branche importierte 2012 laut Eidgenössischer Zollverwaltung 120 000 Tonnen Torf, 5000 Tonnen mehr als vor zehn Jahren. Hinzu kommen weitere Produkte und Blumenerde mit Torf, die ...
Der Bundesrat möchte den Einsatz von Torf aus Umweltschutzgründen verringern. Dazu ruft die Regierung die Gartenbranche und Hobbygärtner aber nur vage zur freiwilligen Selbstbeschränkung auf – anstatt klare Reduktionsziele zu nennen.
Ob Appelle nützen, ist fraglich. Die Branche importierte 2012 laut Eidgenössischer Zollverwaltung 120 000 Tonnen Torf, 5000 Tonnen mehr als vor zehn Jahren. Hinzu kommen weitere Produkte und Blumenerde mit Torf, die der Zoll nicht speziell erfasst. Andreas Grünig von der Forschungsanstalt Agroscope Reckenholz-Tänikon rechnet mit «stabilen bis leicht steigenden Importen» von jährlich 150 000 Tonnen. Andres Altwegg vom Gärtnerei-Verband Jardinsuisse sagt, dass die Unternehmen den Verbrauch reduziert hätten. Torfimporte enthielten oft auch Kompost und andere Stoffe, die mehr wiegen als Torf. Das verfälsche die Statistiken.
Selbst Jardinsuisse räumt jedoch ein, dass der Torfabbau die Umwelt schädigt. Um Torf zu gewinnen, entwässert man Moore. Folge: Die Vegetation stirbt, der Torf zersetzt sich, das Treibhausgas CO₂ wird freigesetzt. In der Schweiz ist der Abbau deshalb seit 1987 verboten.
Die meisten Pflanzen wachsen auch ohne Torf gut
Das Gros der Importe stammt aus dem Baltikum. Die EU-Produktion von 60 Millionen Kubikmeter Torf pro Jahr hinterlässt längerfristig eine 1200 Quadratkilometer grosse Torfwüste. Das entspricht fast der Fläche des Kantons Uri. Zudem werden 10 Millionen Tonnen CO₂ freigesetzt. Weltweit sorgen Torfabbau und kommerzielle Moorentwässerung laut einer im Fachmagazin «Nature» veröffentlichten neuen Studie für mehr klimaschädliche CO₂-Emissionen als der Flugverkehr.
Dabei brauchen nur wenige Pflanzen Torf, um zu gedeihen. Laut Martin Koller vom Forschungsinstitut für biologischen Landbau in Frick AG könnten die Schweizer Gärtner «in fünf Jahren auf 30 bis 50 Prozent des verwendeten Torfs verzichten»:
- Hobbygärtner können problemlos auf torffreie Produkte umsteigen (siehe Kasten). Kompost, Biokohle oder Holzschnitzel sind gute Alternativen. Laut der Universität Zürich fördert Torf ohnehin kein Pflanzenwachstum («Haus & Garten» 3/12). Torffreie Erden verursachen laut Studien dreimal weniger Treibhausgas-Emissionen als torfhaltige.
- Auch Profigärtner könnten den Torfeinsatz verringern. Sie verbrauchen laut Schätzungen zwei Drittel der Importe. Gemäss Koller könnte beim Gemüseanbau in fünf Jahren ein Drittel weniger Torf zum Einsatz kommen. Bei vielen Zierpflanzen hält er «eine Reduktion auf 50 Prozent Torfanteil grundsätzlich für möglich». Unverzichtbar ist ein Anteil Torf laut Experten etwa in Presstöpfen, um Setzlinge zu züchten. Ohne Torf würden auch Terminpflanzen wie Weihnachtssterne oder Osterglocken nicht sicher fristgerecht erblühen.
Jardinsuisse steht «grundsätzlich hinter dem Torfausstiegskonzept des Bundes», lehnt aber klare Ziele und Fristen ab. Torffreie Alternativen kosten laut einem Bericht des Bundesrats 20 bis 50 Prozent mehr. Viele Gärtnereien ersparen sich gerne diese Mehrkosten.
Experten fordern ein «Torffrei-Label». Schweizer Produzenten, die mehr Ersatzerde verwenden, könnten für ihre Geranien- oder Basilikumtöpfe dann etwas mehr verlangen. Und Konsumenten hätten die Wahl.
Tipps: Gärtnern ohne Torf
Genau hinschauen:
Gemischte Blumenerden enthalten zum Teil über 80 Prozent Torf. Das steht aber nur im Kleingedruckten auf der Rückseite der Verpackung. Auch «Bio» bedeutet nicht automatisch torffrei.
Torffrei wählen:
Es kommen immer mehr torffreie Produkte in den Handel. Sie enthalten etwa Rindenkompost, Holzfasern, Grüngut, Hanffasern oder Landerde. Selbst für Moorbeetpflanzen gibt es neu Alternativen. Mehr Tipps liefert der Einkaufsführer von Pro Natura: www.pronatura.ch/torffrei.
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