Die S81 steht im Bahnhof St. Gallen bereit. Der saldo-Tester startet auf seinem Smartphone die von der Schweizerischen Südostbahn (SOB) entwickelte App Abilio und aktiviert die Funktion «Walk-in». Er betritt den Zug, ein Sender oberhalb des Eingangs erkennt das Handy. Es meldet «Willkommen im Zug». Pünktlich fährt die S81 los. Als der Tester in Herisau AR aus dem Zug steigt, heisst es auf der App «Kein Signal in der Nähe».
Der saldo-Journalist ist einer von 30 Testern, welche die «Walk-in»-Funktion von Abilio zurzeit ausprobieren. Die SOB entwickelten das System mit Siemens. Bahnfahren soll möglich sein, ohne sich vorher durch den Verbunds- und Tarifdschungel zu kämpfen. Einmal eingeschaltet, zeichnet die App automatisch auf, wo ein Reisender einen Zug oder Bus betritt und verlässt. Am Ende des Tages wird das günstigste Billett verrechnet. Die Smartphone-App ist vorerst auf das SOB-Streckennetz beschränkt.
saldo fährt in sechs Zügen und Bussen. Die Abrechnung überrascht: Die App hat nur die Bus-, aber keine Zugfahrten erfasst. Der hinterlegten Kreditkarte wurden lediglich Fr. 2.60 belastet statt 20 Franken. Bruno Koller, der Projektleiter von Abilio, führt dieses Versagen auf das Energiesparsystem des Handys zurück. Ein späterer Test mit deaktivierten Stromspareinstellungen fällt allerdings nicht besser aus.
Der Test zeigt: Die «Walk-in»-Funktion von Abilio ist komfortabel und könnte die ÖV-Benutzung stark vereinfachen. Geplant ist, die Funktion im zweiten Quartal dieses Jahres auf SOB-Zügen für jedermann freizugeben. Bis dahin müssen die Techniker aber noch einiges verbessern, um die Probleme in den Griff zu bekommen.
Jede App hat ihre eigenen Kinderkrankheiten
Besser läuft die normale Ticketfunktion von Abilio. Damit lässt sich der Fahrplan abrufen, eine Reiseroute auswählen und das Billett lösen. In der Praxis tauchen aber auch damit Probleme auf, weil das WLAN in SBB-Bahnhöfen die mobile Datenverbindung der App deaktiviert. Und störend ist, dass der Fahrplan Züge und Busse kurz vor der Abfahrt nicht automatisch anzeigt.
Auch andere Unternehmen haben Apps entwickelt (siehe Tabelle). Diese weisen ebenfalls Mängel auf.
Die App SBB Mobile dient dazu, vor der Abfahrt ein Billett zu kaufen. Bei einem Test auf dem Perron verweigerte die App aber aus unerfindlichen Gründen die Zahlung. Die Folge: ein verpasster Zug.
Die beiden Ticket-Apps Lezzgo und Fairtiq zeichnen die Fahrten der Passagiere auf. Damit das klappt, muss der Ortungsdienst des Handys konstant eingeschaltet sein und eine Datenverbindung bestehen. Zudem müssen die Reisenden vor Fahrtantritt ein- und bei Fahrtende auschecken (
saldo 14/2016).
Die App Lezzgo hat wie Abilio Probleme mit WLAN-Verbindungen in SBB-Bahnhöfen. Zur besseren Ortung verlangt sie die WLAN-Funktion des Handys, unterbricht aber die bestehende Datenverbindung, wenn ein SBB-WLAN dazwischenfunkt. Unpraktisch ist, dass die App den Nutzer nicht konsequent daran erinnert, dass er bei Fahrtende auschecken muss.
Fairtiq hingegen benachrichtigt die Fahrgäste stets, wenn sie nach Verlassen eines Transportmittels vergessen auszuchecken. Allerdings ist Fairtiq bislang erst in einzelnen Verkehrsverbünden verfügbar. Bei einer saldo-Testfahrt im Kanton Aargau zeigte sich ein weiterer Nachteil: Entlang dem Rhein wechselte die Datenverbindung zur deutschen Telekom. Da beim Smartphone das Roaming wegen der hohen Kosten deaktiviert war, wurde die Datenverbindung gekappt. Darauf brach Fairtiq die Aufzeichnung ab und stellte nur ein Billett bis zur letzten erfassten Station in Rechnung. Bei einer Kontrolle hätte eine Busse gedroht.
Unfreiwillig als Schwarzfahrer unterwegs
Fazit: Wer sich während der Fahrt nicht mit technischen Problemen herumschlagen oder gar riskieren will, als Schwarzfahrer zu enden, löst sein Billett am besten vorgängig zu Hause. Recht einfach geht das mit den Apps SBB Mobile sowie Abilio und der fast gleichen TCS-App «Einfach mobil». Mit den Tickets dieser Apps brauchen Passagiere unterwegs nur noch genug Handy-Akkuladung. Oder man geht auf Nummer sicher, sucht einen Schalter oder müht sich mit einem teilweise fehlerhaft programmierten Automaten ab (
«K-Tipp» 2/2017).