Schweizer Spitalärzte sind überlastet. Deshalb übernimmt im Kantonsspital Winterthur das Pflegepersonal einzelne Aufgaben der Mediziner. Die «Tagesschau» von Schweizer Fernsehen SRF berichtete Ende Februar darüber – aus der Sicht der Spitalverwaltung und des Bundes.
Vom Bundesamt für Gesundheit bis zu den Ärzten finden alle die Idee toll. Nur ging leider im «Tagesschau»-Bericht vergessen, die Patienten zu fragen, was sie davon halten, dass ärztliche Dienste neu von schlechter ausgebildetem Personal übernommen werden. Möglicherweise könnten einzelne vermuten, dass die Sparübung auf Kosten ihres gesundheitlichen Wohlbefindens geht. Und vielleicht haben auch die Prämienzahler etwas dagegen, dass die Fallpauschalen gleich hoch bleiben, einige Arbeiten aber neu von billigerem Personal erledigt werden.
Eine durch und durch regierungsnahe Informationssendung
Solche Information rein aus Sicht der Behörden ist bei der «Tagesschau» keine Ausnahme, sondern die Regel. Das zeigt eine Stichprobe von saldo vom 22. Februar bis zum 3. März. Die Schweizer «Tagesschau» ist eine regierungsnahe Informationssendung. Die TV-Journalisten hängen geradezu an den Lippen von Behörden und politischen Entscheidungsträgern.
So berichtete die «Tagesschau» vom 23. Februar, dass zusehends mehr Flüchtlinge die Schweizer Grenze überqueren. Der Chef des Grenzwachtkorps sagt dazu in einem kurzen Interview, dass bei einer weiteren Zunahme «allenfalls Militärkräfte einzusetzen» seien. Da fragte sich wohl mancher Zuschauer, ob Soldaten tatsächlich für einen solchen Einsatz geeignet wären. Eine Antwort darauf gab es nicht. Gut möglich, sieht das die Bevölkerung anders als der oberste Grenzwächter. Und die Flüchtlinge wohl auch. Aber deren Meinung interessiert die «Tagesschau»-Redaktion nicht.
Ein anderer Beitrag in der gleichen Ausgabe belegt die eingeschränkte Perspektive. Zur Frage, ob Waffenexporte nach Saudi-Arabien und Katar sinnvoll seien, kommen zwar befürwortende wie kritische Stimmen ausgewogen zu Wort. Aber man könnte statt Politiker auch gewöhnliche Leute fragen, ob sie es toll finden, wenn die Schweiz Waffen in ein kriegführendes Land wie Saudi-Arabien verkauft.
Ein Tunnelprojekt für das Jahr 2030 als Aufmachermeldung
Im Einzelfall kann eine Meldung noch so unwichtig sein, die «Tagesschau» bringt sie an erster Stelle – sofern die Botschaft aus Bundesbern kommt. Beispiel: Das Bundesamt für Verkehr propagierte An-fang März einen neuen Eisenbahntunnel zwischen Zürich und Aarau. Er soll die vielbefahrene SBB-Strecke entlasten. Eine Sprecherin des Bundesamts erklärte ausführlich, warum dieses Projekt wichtig sei, ein Kritiker erachtete es als unnütz. Der letzte Satz des Beitrags: «Mit einem Baubeginn ist nicht vor 2030 zu rechnen.»
Diese Art von Berichterstattung war übrigens kein reiner Fall «Tagesschau». Am folgenden Tag berichteten fast sämtliche Zeitungen ebenfalls darüber.
Manchmal erhält der Zuschauer den Eindruck, der Bundesrat bestimme den Inhalt der «Tagesschau» weitgehend selbst.
Zum Beispiel die Ausgabe vom 25. Februar: Hier kamen gleich vier Mitglieder der Landesregierung zu Wort. Sie durften ihre Sicht der Dinge darlegen: Doris Leuthard erklärte, warum der Bundesrat das letzte Wort beim Umfang des nationalen Flugverkehrs haben müsse. Guy Parmelin propagierte unwidersprochen den Kauf neuer Militärflugzeuge. Bundespräsident Johann Schneider-Ammann sagte, dass die Bildungskosten weniger als bisher wachsen dürften, und Simonetta Sommaruga forderte nach einem Ministertreffen in Brüssel eine intensivere Zusammenarbeit der EU-Staaten in der Flüchtlingsfrage. Als ob das Nichtmitglied Schweiz viel dazu zu sagen hätte.
Nach dieser geballten Ladung Bundesbern spürt der gähnende Zuschauer ein grosses Verlangen, etwas aus dem richtigen Leben zu erfahren – leider vergeblich. Es sei denn, man zähle Pipilotti Rists Installation im Zürcher Kunsthaus dazu. Sie setzte wenigstens einen farbigen Schlussakzent in der grauen Sendung.
Bundesrätliche Worthülsen noch und noch
Bundesrat à discrétion war in der «Tagesschau» auch drei Tage später angesagt: Bundespräsident Johann Schneider-Ammann verbreitete an einer Medienkonferenz in Teheran seine Worthülsen («Wir verfolgen eine Road Map»). Und der frischgebackene Finanzminister Ueli Maurer berichtete vom G-20-Treffen der Finanzminister in Shanghai ebenso tiefgründig: «Wir sind gut.» «Aber nicht die Besten wie bei der Armee», ergänzt man als Zuschauer den Satz im Geiste. Und ist froh, dass die Landesregierung nur sieben Mitglieder hat.