Liegt ein Patient im Sterben, gilt künftig in der Schweiz: Er ist mit der Entnahme von Organen einverstanden, sofern nichts Gegenteiliges festgehalten ist. Diese Widerspruchslösung hat das Schweizer Stimmvolk im Jahr 2022 angenommen. Wie bisher müssen Angehörige vor einer allfälligen Organentnahme gefragt werden, ob ein Spendewille des Patienten schriftlich oder mündlich bekannt ist. Fehlen Angehörige und Informationen, dürfen Organe nicht entnommen werden.
Das neue Transplantationsgesetz tritt frühestens 2026 in Kraft. In einer Verordnung muss der Bundesrat nun noch die Details zu den neuen Regeln festlegen.
Im vergangenen Jahr wurden in der Schweiz 200 Patienten nach dem Hirntod Organe entnommen, 34 mehr als 2023. Das zeigen Zahlen von Swisstransplant, der nationalen Organisation für Organspende und Transplantationen. In jedem einzelnen Fall musste das Spital den Willen des Patienten bei demjenigen Angehörigen abklären, der mit ihm «am engsten verbunden war». So lautet die noch heute gültige Regel. Haben weder Patient noch Angehörige der Entnahme zugestimmt, war keine Transplantation erlaubt.
Der Bundesrat schlägt nun vor: Künftig sollen Spitäler intensiver und breiter abklären, wer zum Kreis der nächsten Angehörigen gehört. Demnach muss ein Spital alle «bekannten und erreichbaren nächsten Angehörigen» anfragen, falls der Wille des Patienten nicht schriftlich hinterlegt ist. Zählen mehrere Leute zum Kreis der nächsten Angehörigen, muss das Einverständnis zur Organentnahme von all diesen Personen vorliegen.
Lobby will Entscheid auf einen einzigen Angehörigen reduzieren
Diese Regelung geht der Akademie der medizinischen Wissenschaften (SAMW) zu weit. Sie spricht sich in ihrer Stellungnahme zum Vernehmlassungsentwurf dagegen aus. Der Aufwand der Spitäler für eine so umfangreiche Abklärung sei zu gross. Sowohl die SAMW wie auch Swisstransplant wollen den Kreis der befragten Angehörigen auf eine einzige Person einschränken. Denn Erfahrungen von Intensivmedizinern zeigen: Wenn mehrere Angehörige mitreden, kommt es oft zu keiner Organspende.
Alex Frei vom Verein Ärzte und Pflegefachpersonen gegen Organspende am Lebensende hält die Einschränkung auf eine einzige Person für gefährlich. Es sei zu befürchten, dass der Patientenwille so nicht umfassend abgeklärt werde: «Man stelle sich vor, einem Sterbenden wurden Organe entnommen. Und seine Tochter, die im Ausland lebt, hätte gewusst, dass das gegen den Willen ihres Vaters geschah – aber sie wurde nicht vom Spital kontaktiert.»
Er wisse von ähnlichen Fällen, die sich so abgespielt hätten, sagt Frei: «Es ist unumgänglich, dass ein Spital alle nächsten bekannten und erreichbaren Angehörigen konsultiert.» Wegen der neuen Regeln zur Organentnahme baut der Bund ein neues Organspenderegister auf, in dem jeder seinen Willen eintragen kann. Er will das Register an die staatliche elektronische Identitätskarte E-ID koppeln, damit «jede registrierte Person zweifelsfrei identifiziert werden kann».
Organspenderegister hatte gravierende Sicherheitslücken
Swisstransplant kritisiert auch diesen Schritt, weil diese Lösung frühestens 2026 bereitstehe. Die Organisation fordert vom Bund Übergangsregeln, damit die neue Regelung rascher eingeführt wird. Davon verspricht man sich mehr Organentnahmen. Von Swisstransplant gab es schon in der Vergangenheit ein Organspenderegister im Internet, das sich als untauglich erwies.
Das 2018 aufgeschaltete Register wurde Ende 2022 abgeschaltet, weil es gravierende Sicherheitslücken aufwies. So war es etwa möglich, dass man eine fremde Person als Organspender eintragen konnte. Alex Frei sagt: «Das darf nicht noch einmal passieren.»
Halten Sie Ihren Patientenwillen schriftlich fest
Legen Sie rechtzeitig fest, wie Sie zur Organspende stehen:
- Halten Sie Ihren Entscheid zur Organentnahme in einem «Organspende-Ausweis» oder einem «Nicht-Organspende-Ausweis» fest. Eine Vorlage finden Sie hier.
- Halten Sie Ihren Entscheid auch auf einem Papier fest, das Sie zum Beispiel im Portemonnaie immer auf sich tragen.
- Informieren Sie Ihre nächsten Angehörigen mündlich darüber, ob Sie Ihre Organe spenden wollen oder nicht – denn Ausweise können verloren gehen.