Rechnungen für Therapien, die nie stattgefunden haben
Einige Spitäler, Ärzte oder Therapeuten stellen zu hohe Rechnungen aus oder lassen sich fiktive Leistungen vergüten. Krankenkassen schätzen den Schaden auf rund 500 Millionen Franken pro Jahr.
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saldo 03/2010
14.02.2010
Letzte Aktualisierung:
16.02.2010
Eric Breitinger
Karl Eberhart hat jahrelang in seiner Praxis in Birsfelden BL Patienten auf Kosten von Zusatzversicherungen massiert – ohne die dafür nötigen Ausbildungen absolviert zu haben. Mitte Januar stand der 64-Jährige deswegen vor dem Strafgericht Liestal BL. Der Richter sah den Gebrauch gefälschter Urkunden und den Verstoss gegen das Krankenversicherungsgesetz (KVG) als erwiesen an.
Der Angeklagte habe bei seinen Zulassungsgesuchen an Kassen, Berufsregister und ...
Karl Eberhart hat jahrelang in seiner Praxis in Birsfelden BL Patienten auf Kosten von Zusatzversicherungen massiert – ohne die dafür nötigen Ausbildungen absolviert zu haben. Mitte Januar stand der 64-Jährige deswegen vor dem Strafgericht Liestal BL. Der Richter sah den Gebrauch gefälschter Urkunden und den Verstoss gegen das Krankenversicherungsgesetz (KVG) als erwiesen an.
Der Angeklagte habe bei seinen Zulassungsgesuchen an Kassen, Berufsregister und Gesundheitsbehörden gefälschte Diplome eingereicht. Er muss als Strafe 180 Tagessätze à 10 Franken und eine Busse zahlen. Ob die Helsana und andere Kassen erstattete Honorare zurückfordern, ist offen.
In Freiburg werden sich im Mai eine Therapeutin und ihr Mann, ein Psychiater, wegen gewerbsmässigen Betrugs und Urkundenfälschung vor dem Wirtschaftsgericht zu verantworten haben. Die Therapeutin soll einem Patienten angeboten haben, auf Honorare zu verzichten, da sie die Behandlung über ihren Gatten abrechnen könne.
Der Versicherte informierte seine Kasse Helsana. Der Arzt soll laut Untersuchungsrichter von 2005 bis 2008 bei mehreren Kassen fingierte Rechnungen für nicht gehaltene Psychotherapie-Sitzungen eingereicht haben. Das Paar soll dafür zwischen 103‘000 und 142‘900 Franken zu viel eingestrichen haben. Die Angeklagten bestreiten die Vorwürfe.
Arbeitstage von bis zu 25 Stunden abgerechnet
Bei Kontrollen von Versicherern und Berufsverbänden fliegen immer wieder unredliche Ärzte auf: So berechneten einige Ärzte bis zu 13 Stunden Behandlungszeit für ihre Patienten. Weil sie das nach Angaben der Groupe Mutuel bei mehreren Kassen taten, konnten ihre Arbeitstage auf dem Papier 25 Stunden und länger dauern.
Wie gross der Anteil fehlbarer Ärzte ist, lässt die «Wirtschaftlichkeitsprüfung» des Kassenverbandes Santésuisse erahnen. 2007 stattete Santésuisse 124 Ärzten einen Besuch ab, weil sie keine plausiblen Erklärungen hatten für ihre hohen Rechnungen. «Unsere Experten machen dem Arzt dabei klar, dass er die Kosten zu senken hat», sagt Markus Caminada von Santésuisse.
Manche Ärzte bleiben aber stur. Santésuisse macht offiziell keine Angaben, wie oft sie gegen medizinische Leistungserbringer vor Gericht geht. Laut Insidern gibt es jedoch rund zehn Prozesse. Auch die Helsana strengt bis zu zehn solcher Verfahren im Jahr an. Das lohnt sich für die Versicherten: Jährlich zahlen von Santésuisse überprüfte oder verklagte Ärzte dem Verband rund 2,5 Millionen Franken zurück.
Zum Beispiel verpflichtete das Versicherungsgericht St. Gallen kürzlich einen Allgemeinpraktiker dazu, den Kassen knapp 100‘000 Franken zurückzuzahlen. Die Richter sahen es als erwiesen an, dass der zuvor mehrfach gerügte Arzt 2003 wegen «Überarztung» zu hohe Kosten abgerechnet hatte.
Kontrolle ist besser als Vertrauen
Viele Versicherte geben klein bei, wenn sie für eine medizinische Dienstleistung eine unkorrekte Rechnung erhalten. Nach Schätzungen von Santésuisse gehen deswegen 500 Millionen Franken pro Jahr zulasten der Versicherten. Das treibt die Prämien künstlich in die Höhe.
Helsana-Sprecher Rob Hartmans appelliert daher: «Die Versicherten sollten ihre Rechnungen aufmerksam kontrollieren. Nur sie können wissen, ob die einzelnen Posten gerechtfertigt sind.» Gesundheitsökonomen fordern zudem, Patienten grundsätzlich eine Rechnungskopie zu schicken.