Nicht Torf wirkt, sondern Dünger
Torfabbau ist in der Schweiz verboten – er schädigt das Ökosystem. Das kostbare Gut wird aber tonnenweise importiert. Nur: Torfhaltige Erden verbessern die Pflanzenpracht nicht. Dies belegt eine neue Studie der Uni Zürich.
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Haus & Garten 03/2012
24.08.2012
Letzte Aktualisierung:
28.08.2012
REGINE ELSENER
Torf ist ein weltweit genutzter Rohstoff. Auf torfhaltigen Substraten werden im kommerziellen Gartenbau Gemüse, Topf- und Schnittpflanzen in grossen Mengen produziert. In Hobbygärten ist Torf vor allem Bestandteil von Blumenerden. Er ist aufgrund seiner besonderen Eigenschaften begehrt. Unter anderem speichert er Wasser und ist luftdurchlässig. Das macht ihn zu einem günstigen Substrat-Rohstoff – für die industrielle Grossproduktion ideal.
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Torf ist ein weltweit genutzter Rohstoff. Auf torfhaltigen Substraten werden im kommerziellen Gartenbau Gemüse, Topf- und Schnittpflanzen in grossen Mengen produziert. In Hobbygärten ist Torf vor allem Bestandteil von Blumenerden. Er ist aufgrund seiner besonderen Eigenschaften begehrt. Unter anderem speichert er Wasser und ist luftdurchlässig. Das macht ihn zu einem günstigen Substrat-Rohstoff – für die industrielle Grossproduktion ideal.
Erdensorte ist fürs Pflanzenwachstum nicht wichtig
Jetzt hat Umweltwissenschafterin Nathalie Séchaud in einer Untersuchung an der Uni Zürich nachgewiesen: Torf enthaltende Erden lassen Pflanzen nicht üppiger wachsen als torffreie Produkte. Séchauds Fazit: «Entscheidend ist der Dünger, den man regelmässig verabreicht.»
Sie untersuchte das Wachstum von Pelargonien (Geranien) und Petunien, die in zehn verschiedenen Erden in Kisten gepflanzt wurden. Den Entwicklungstand hielt die Wissenschafterin jeweils fotografisch fest.
Zu Beginn des Experiments entwickelten sich alle Setzlinge ähnlich gut, egal in welcher Erde. Doch gut einen Monat später waren die Unterschiede frappant (siehe Bilder zur Tabelle unten): Jene Petunien und Geranien, die mit Dünger versorgt wurden, gediehen sehr viel besser als die Pflanzen ohne Nahrungszusatz – ebenfalls unabhängig von der Erdensorte. Das heisst im Klartext: Für die Blumenpracht im Garten und auf dem Balkon braucht es keine torfhaltige Erde.
Auch Bio-Erde kann Torf enthalten
Wissen das die Konsumenten und handeln sie entsprechend? Nathalie Séchaud befragte im Rahmen ihrer Untersuchung 175 Hobbygärtnerinnen und -gärtner in verschiedenen Gartencenter. Séchaud: «Viele Leute wissen um die Problematik des Torfabbaus und kaufen dennoch Erde mit Torf.» Sie vermutet, dass Konsumenten nicht genau hinschauen, was sie in den Einkaufswagen legen. «Wenn vorn auf der Verpackung nichts steht, muss man eben auf der Rückseite die Zusammensetzung lesen. Häufig ist diese halt nur in kleiner Schrift aufgedruckt», so die Umweltwissenschafterin. «Ist auf dem Sack ein Schweizer Kreuz – oft in Grün – oder ‹Recycling› aufgedruckt, lassen sich wohl viele Leute zum Kauf verleiten», sagt Séchaud. Auch der Vermerk «Bio» bedeute nicht automatisch torffrei.
Torffreie Erden auch bei Coop und Migros
Eine Ausnahme bilden Pflanzen wie Rhododendren, die im Moorbeet gedeihen: Für sie gibt es keine Alternative zum Torf.
Immerhin: Die wichtigsten Grossverteiler, u. a. Coop und Migros, preisen mittlerweile torffreie Erden offensiv an. Coop will zudem bis 2013 Erden mit Torf ganz aus seinem Sortiment verbannen.
Für den Hobby-Garten genügen die heute erhältlichen Torfersatz-Produkte völlig, z. B. Rindenkompost und Grüngut, Rindenhumus, Holzfasern, Landerde (Abfallprodukt aus der Zuckerproduktion) und Hanffasern. Es sind Abfallprodukte aus Land- und Forstwirtschaft, die aus ökologischer Sicht bedenkenlos eingesetzt werden können.
Weitere Informationen:
- Pronatura.ch/torffrei
Einkaufsführer: Hier finden Hobbygärtner eine Liste von Pflanzenerden ohne Torf und wo sie erhältlich sind (basierend auf der Selbstdeklaration der Verkaufsstellen).
Torfabbau zerstört Moore
In der Schweiz sind Moore als seltene Lebensräume seit der Rothenturm-Initiative 1987 geschützt. Der Torfabbau ist deshalb verboten. Dennoch importiert die Schweiz laut Pro Natura schätzungsweise 150 000 Tonnen Torf pro Jahr für den kommerziellen und privaten Gar-tenbau. Dadurch wird die Zerstörung der Moore im Ausland gefördert – vor allem im Baltikum und in anderen osteuropäischen Ländern.
Der Torfabbau verursacht grosse Schäden an Moorflächen. In der EU werden jährlich 60 Millionen Kubikmeter Torf abgebaut und hinterlassen dabei 1200 Quadratkilometer Torfwüste. So geht wertvoller Lebensraum für hochspezialisierte Arten verloren. Moore leisten einen wichtigen Beitrag zur Biodiversität. Zusätzlich werden der lokale Wasserhaushalt und die Hochwasserschutzleistung der Moore massiv gestört.
Um Torf zu gewinnen, wird ein Moor zuerst entwässert. Dabei stirbt die gesamte Vegetation an der Oberfläche ab. Dann wird die abgestorbene Schicht maschinell entfernt und der darunter liegende Torf grossflächig industriell abgebaut. Die typische Moorlandschaft wird völlig zerstört – ein Desaster für die Biodiversität. Ausserdem setzt das Trockenlegen der Moore grosse Mengen an Kohlendioxid frei – ein Beitrag zum Klimawandel: Jede Tonne Torf, die in die Schweiz importiert wird, verursacht 1,88 Tonnen Treibhausgas-Emissionen.
Eine nachhaltige Torfnutzung ist nicht möglich: In einem intakten Moor wächst die Torfschicht höchstens 1 Millimeter pro Jahr. Der Abbau zerstört also innert Kürze, was über Jahrhunderte und -tausende hinweg gewachsen ist.