Vor der Credit Suisse am Zürcher Paradeplatz steigen Lehman-Opfer auf die Barrikaden: Sie wollen von den Bonus-Millionären nicht nur schöne Worte hören, sondern ihr sauer verdientes Geld zurück. Das war vor zehn Jahren. Bei der Finanzkrise 2008 verloren viele Anleger grosse Summen. Die Finanzmarktaufsicht bezifferte allein den Schaden des Lehman-Brother-Konkurses für Anleger in der Schweiz auf über 4 Milliarden Franken.
Vier Jahre später erteilte der Bundesrat der damaligen Finanzministerin Eveline Widmer-Schlumpf den Auftrag für ein Gesetz zum Schutz der Anleger. Der erste Entwurf des Finanzdienstleistungsgesetzes enthielt eine Reihe von Neuerungen. Gefordert wurde beispielsweise, dass die rund 2500 Vermögensverwalter künftig nur noch bei hinreichender Ausbildung eine Bewilligung erhalten.
Vorgesehen war im Gesetzesentwurf auch, dass Banken und Vermögensverwalter beim ersten Kundengespräch erklären, mit wem sie zusammenarbeiten und welche Interessenskonflikte bestehen. Weiter sah der Entwurf vor, dass sie ihre Beratung und Entscheide dokumentieren. Auch vermögende Laienkunden müssten das Risiko einer Anlage oder eines Finanzprodukts kennen. «Am besten wäre eine Aufnahme des Gesprächs in Bild und Ton. Eine unabhängige Stelle sollte sie aufbewahren», sagt der Zürcher Anleger-Anwalt Stephan Pöhner.
Ein sogenannter Beipackzettel sollte in einem auch für Laien verständlichen Text über die Eigenschaften, versteckten Kosten, Risiken und das Kleingedruckte eines Finanzproduktes informieren. Darüber hinaus müssten Banken und Vermögensverwalter über die im Auftrag des Kunden getätigten Anlagen Rechenschaft ablegen und die Ergebnisse ihren Versprechungen gegenüberstellen.
Die Finanzlobby machte Druck und verwässerte das Gesetz
Zudem sah der Gesetzesentwurf eine Reihe von prozessualen Erleichterungen vor. Etwa dass Kunden gegen eine Bank unentgeltlich Prozess führen können, wenn Aussicht auf Erfolg besteht. Und die Banken hätten künftig beweisen müssen, dass sie die Kunden vollständig und richtig informierten. Heute ist es umgekehrt: Die geschädigten Anleger müssen beweisen, dass sie von der Bank falsch oder unvollständig informiert wurden. Zudem wären Gruppenklagen möglich gewesen.
Das alles passte den Vermögensverwaltern und Bankern nicht. Sie wollen ihre Kunden künftig nicht über die Risiken und Kosten einer Anlage oder eines Wertpapiers informieren müssen. Sondern nur noch über «allgemeine Finanzrisiken». Die Finanzlobby will auch nicht über Kommissionen und Vergütungen für den Vertrieb von Wertpapieren informieren. Und sie will auch keine Prozesserleichterungen für die Kunden. «Bereits nach der Vernehmlassung 2014 bei Branchenvertretern zog der Bundesrat auf Druck von Vermögensverwaltern und Banken dem Gesetz die wichtigsten Zähne», sagt Prisca Birrer-Heimo, Präsidentin der Stiftung für Konsumentenschutz. Er strich die Gruppenklagen, die Beweislastumkehr, den Prozesskostenfonds und das Schiedsgericht aus dem Gesetz. Anwalt Pöhner sagt: «Jetzt haben wir einen zahnlosen Tiger: Vermögensverwalter können Kunden weiterhin alles aufschwatzen.» Im Juni geht das Gesetz im Parlament in die vermutlich letzte Runde.