Lobbying gegen flexible Franchisen
Die Krankenkassen wollen, dass Versicherte die Franchisen nicht mehr jedes Jahr ändern können. In der Gesundheitskommission des Nationalrats haben sich ihre Lobbyisten durchgesetzt.
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saldo 08/2017
25.04.2017
Sven Zaugg & Ueli Abt
Jeden Herbst das gleiche Spiel: Die Krankenkassen erhöhen die Prämien für die Grundversicherung. Wollen die Versicherten den Aufschlag in Grenzen halten, müssen sie die Franchise erhöhen – oder allenfalls die Kasse wechseln.
Geht es nach dem Willen der Krankenkassen, soll der Wechsel der Franchise nicht mehr jedes Jahr möglich sein, sondern nur noch alle drei Jahre. Das bedeutet: Wer mit der Mindestfranchise von 300 Franken versichert ist, k...
Jeden Herbst das gleiche Spiel: Die Krankenkassen erhöhen die Prämien für die Grundversicherung. Wollen die Versicherten den Aufschlag in Grenzen halten, müssen sie die Franchise erhöhen – oder allenfalls die Kasse wechseln.
Geht es nach dem Willen der Krankenkassen, soll der Wechsel der Franchise nicht mehr jedes Jahr möglich sein, sondern nur noch alle drei Jahre. Das bedeutet: Wer mit der Mindestfranchise von 300 Franken versichert ist, kann dies drei Jahre lang nicht ändern, auch wenn die Prämien für diese Variante inzwischen stark steigen sollten. Umgekehrt können Versicherte mit Franchise 2500 Franken nicht auf eine tiefere Selbstbeteiligung umsteigen, wenn die Prämien für ihre Variante überdurchschnittlich steigen sollte. Dies war beispielsweise im letzten Herbst der Fall: Die Prämie für die höchste Franchise stieg bis zu 51 Prozent.
Im Parlament wurde die Forderung nach weniger Wahlfreiheit von SVP-Nationalrat Heinz Brand eingebracht. Kein Zufall: Er ist Präsident des Krankenkassenverbandes Santésuisse.
Zehn Krankenkassenlobbyisten in der Gesundheitskommission
Die Gesundheitskommission des Nationalrats hat den Vorschlag Anfang April mit 17 zu 6 Stimmen gutgeheissen. Auch das erstaunt nicht. Denn die Krankenkassenlobby ist in der 25-köpfigen Gesundheitskommission gut vertreten: Raymond Clottu (SVP, NE), Bruno Pezzatti (FDP, ZG) und Sebastian Frehner (SVP, BS) sind Beiräte der Groupe Mutuel. Ruth Humbel (CVP, AG) ist Concordia-Verwaltungsrätin. Lorenz Hess (BDP, BE) ist Verwaltungsrat bei Sana24. Der Aargauer SVP-Nationalrat Ulrich Giezendanner ist Verwaltungsrats-Vizepräsident der KPT-Krankenkasse. Jürg Stahl (SVP, ZH) ist in der Geschäftsleitung der Groupe Mutuel.
Mit dem «Forum Gesundheit Schweiz» schuf die Gesundheitsbranche 2006 ein Instrument zur Lobbyarbeit. Zur Trägerschaft gehören Santésuisse und der Verband Interpharma. Das Forum ist in der Kommission vertreten durch die Zürcherinnen Barbara Schmid-Federer (CVP) und Maja Ingold (EVP).
Die Basler SP-Nationalrätin Silvia Schenker hält den Vorstoss für inakzeptabel: «Im Leben der Menschen kann sich in drei Jahren viel verändern.» Weniger Einkommen oder eine schwerwiegende Diagnose könnten das Anpassen der Franchise nötig machen. Wenn dies erschwert würde, könne dies zu «schwierigen Situationen» führen.