Konsument Frenkel: Künstlerische Freiheit
Inhalt
saldo 14/2018
11.09.2018
Beni Frenkel
Das Schlimmste im Gymnasium waren die Pickel, die mich jahrelang plagten – und die Doppelstunde Geografie am Donnerstagnachmittag. Lehrer Spälti (Name natürlich geändert) piesackte uns mit seinem Lieblingsthema Geologie («Feldspat, Quarz und Glimmer, die drei vergess ich nimmer»).
Ihm reichte es nicht, dass wir die Erdzeitalter bis zur Prüfung auswendig konnten.
Wir mussten die Erdkrustenverschiebungen richtig unterscheiden k&oum...
Das Schlimmste im Gymnasium waren die Pickel, die mich jahrelang plagten – und die Doppelstunde Geografie am Donnerstagnachmittag. Lehrer Spälti (Name natürlich geändert) piesackte uns mit seinem Lieblingsthema Geologie («Feldspat, Quarz und Glimmer, die drei vergess ich nimmer»).
Ihm reichte es nicht, dass wir die Erdzeitalter bis zur Prüfung auswendig konnten.
Wir mussten die Erdkrustenverschiebungen richtig unterscheiden können: Kambrium, Ordivizium usw.
Nach der Matura dachte ich: Diesen Quatsch werde ich nie wieder brauchen. Doch dann präsentierte die Schweizerische Nationalbank die neue 200-Franken-Note. Das braune Stück repräsentiere die «wissenschaftliche Seite der Schweiz», stand in der Medienmitteilung.
Auf der Note sieht man einen Globus. Dieser zeige «die Verteilung der Landmassen in der späten Kreidezeit». Ich studierte den Globus und dachte an Lehrer Spälti. Solche Landmassen hatte ich im Unterricht nie gesehen.
Also schrieb ich der Nationalbank, was es mit der seltsamen Erdkugel auf sich hat. Antwort: «Die Gestaltung der Landmassen unterliegt der künstlerischen Freiheit.» Die Gestalterin habe «aufgrund illustrativer Überlegungen» eine Fachquelle «nachgezeichnet und abstrahiert».
Die Schweizerische Nationalbank erhebe keinen Anspruch auf fachliche Richtigkeit.
Erstaunlich! Was würde wohl Lehrer Spälti dazu sagen? Immerhin: Die Zahl 200 hat die Nationalbank fachlich korrekt wiedergegeben.