Für die Haut ist Natur das Beste
Bei Hautkrankheiten setzen Patienten häufig pflanzliche Extrakte ein. Einen soliden Wirkungsnachweis haben die wenigsten. Dennoch ist das kein Grund, auf Chemie zu wechseln.
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saldo 07/2013
17.04.2013
Tobias Frey
Moni behandelt ihre Narben mit Johanniskrautöl, Beatrice betupft ihre Warzen mit Teebaumöl – Pflanzenextrakte sind bei Hautkrankheiten seit Generationen weit verbreitet, wie die Einträge im Gesundheitsforum auf Saldo.ch zeigen. Gerade bei chronischen Beschwerden und Entzündungen wie Ekzemen sind sie eine Alternative zu den umstrittenen Kortisonpräparaten.
Doch nur bei wenigen gibt es einen wissenschaftlichen Beleg dafür, wie gut sie tats&au...
Moni behandelt ihre Narben mit Johanniskrautöl, Beatrice betupft ihre Warzen mit Teebaumöl – Pflanzenextrakte sind bei Hautkrankheiten seit Generationen weit verbreitet, wie die Einträge im Gesundheitsforum auf Saldo.ch zeigen. Gerade bei chronischen Beschwerden und Entzündungen wie Ekzemen sind sie eine Alternative zu den umstrittenen Kortisonpräparaten.
Doch nur bei wenigen gibt es einen wissenschaftlichen Beleg dafür, wie gut sie tatsächlich wirken. Der Grund: Solche Untersuchungen sind sehr teuer und aufwendig. Nur wenige Firmen oder Institute sind bereit, dafür Geld in die Hand zu nehmen. Auf Pflanzen und ihre Extrakte kann zudem niemand ein Patent anmelden.
Beispiel Nachtkerzenöl: Viele Fachleute und Eltern setzen bei Kindern das Öl gegen Neurodermitis ein. Dabei handelt es sich meist um chronische Ekzeme, verursacht durch ein überschiessendes Immunsystem. Eine Arbeit in der Zeitschrift «Ars Medici» vor zwei Jahren kam zum Schluss: Die Wirkung von Nachtkerzenöl bleibt umstritten – trotz mehrerer Studien (siehe Tabelle). Zwar weist eine grössere Untersuchung aus dem Jahr 2006 darauf hin, dass das Öl «nach 4 bis 8 Wochen» die Beschwerden deutlich lindert. Kritiker sagten aber, dass die Studie Mängel habe und die Autoren für Firmen arbeiteten, die Interesse am Vermarkten von Produkten mit Nachtkerzenöl hätten.
Johanniskraut: Positive Wirkungen, aber wenig erforscht
Der Luzerner Apotheker Christoph Bachmann, Autor der Übersichtsarbeit, sagt: «Unabhängige Studien kommen eher zu einem negativen Ergebnis.» Martin Koradi, Dozent für Phytotherapie aus Winterthur, bestätigt dies. Zudem gehöre ein Auf und Ab bei Neurodermitis zum Krankheitsbild. Es sei deshalb schwierig, eine Verbesserung mit Sicherheit der Therapie zuzuschreiben. Koradi sagt, dass vermutlich nur ein Teil der Patienten von einer Therapie mit Nachtkerzenöl proftieren könne. Für Apotheker Bachmann ist es aber trotz der unsicheren Datenlage «legitim», Nachtkerzenöl einzusetzen. Patienten hätten immer wieder Erfolge damit und die Präparate seien relativ günstig und hätten kaum Nebenwirkungen.
Anderes Beispiel Johanniskraut: Das Kraut kann, innerlich angewendet, Depressionen effizient bekämpfen. Das Öl aus den Blüten ist aber auch ein Hausmittel für Hautleiden aller Art. Es enthält entzündungshemmende Stoffe. Im Fokus der Forschung steht das Hypericin. Die Volksmedizin setzt das Öl gegen Verbrennungen und Entzündungen ein. Der Zürcher Arzt Thomas Walser empfiehlt es auch gegen Prellungen und Verstauchungen.
Studien dazu gibt es aber kaum. Bereits ältere Untersuchungen weisen darauf hin, dass Johanniskraut auch gegen Neurodermitis helfen könnte. Der Biologe Christoph Schempp von der Hautklinik der Universität Freiburg konnte vor fast zehn Jahren in einer kleinen Studie zeigen, dass eine Salbe mit dem Extrakt die Ekzeme besser bekämpfte als das Scheinmedikament der Vergleichsgruppe. Schempp spricht jedoch gegenüber saldo von einer «Pilotstudie». Er konnte die Wirkung nur an ein paar Dutzend Patienten belegen. «Man muss grössere Studien machen», kam er schon damals zum Schluss. Doch diese fehlen bis heute.
Kamille: Sehr gute Erfolge bei der Wundheilung
Für Hausarzt Walser wird die Wirkung von Johannisöl «eher» überschätzt: «Die rote Farbe gibt dem Öl einen geheimnisvollen Anstrich.» Kommt dazu: Johanniskraut hat Nebenwirkungen, macht die Haut auf Sonnenlicht empfindlich und reagiert mit anderen Wirkstoffen. Auch für verbreitete Heilpflanzen wie Aloe vera oder Salbei gibt es keine guten Belege, dass sie wirken.
Unbestritten unter Fachleuten ist die Wirkung von Kamille bei der Wundheilung. Walser: «Sie bekämpft erwiesenermassen Entzündungen und fördert den Heilungsprozess.» Zwar fehlen grosse Untersuchungen, wie sie bei Medikamenten vorgeschrieben sind. Dennoch verdichten sich seit Jahrzehnten die Befunde. Der deutsche Pharmazeut und Heilpflanzenexperte Max Wichtl trug bereits in den 80er-Jahren entsprechende Untersuchungen zusammen und veröffentlichte sie in seinem Standardwerk über Pflanzentherapie.
Trotz der unsicheren Bilanz empfehlen Experten, auf die Pflanzenmedizin zu setzen. Denn meistens braucht es dafür keinen Arzt, die Produkte sind im freien Verkauf erhältlich. Walser: «Der Griff zur Hausapotheke lohnt sich bei Hautkrankheiten immer.» Der Gang zum Arzt ist erst dann ratsam, wenn die Symptome über mehrere Tage nicht abklingen und andere Beschwerden wie Fieber oder Gelenkschmerzen eintreten.
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