Der gut 60-jährige Anwalt sitzt entspannt in seinem Stuhl. Neben ihm hat der etwas jüngere Beklagte Platz genommen, der früher einmal sein Klient war. Die Einzelrichterin am Bezirksgericht Affoltern am Albis ZH räuspert sich kurz. Dann erteilt sie dem Anwalt als Kläger in eigener Sache das Wort. Er muss sein Rechtsbegehren begründen.
Der Anwalt fordert von seinem ehemaligen Mandanten 8000 Franken. Er schildert, wie es zum Auftrag gekommen war: Der Beklagte habe ihn per E-Mail kontaktiert und ihn gebeten, ihm zu helfen. Drei Zeitungen hätten Lügen über ihn verbreitet. Er wolle, dass die Artikel aus den Internetarchiven gelöscht werden. Der Anwalt übernahm das Mandat. Er habe sich dann viermal zu Besprechungen mit seinem Klienten in Zürich getroffen – zweimal in seiner Kanzlei und zweimal in einem Restaurant.
«Alles verlief bestens», fährt der Anwalt fort. Er habe die Zeitungsverlage schriftlich aufgefordet, die Artikel zu löschen. Das sei dann auch geschehen. «Mein Klient hat nie bestritten, dass ich für ihn gearbeitet habe und dass ich erfolgreich war.»
Nach einer kurzen Pause blickt er leicht tadelnd in Richtung seines ehemaligen Klienten: «Als ich ihm zum Schluss die Rechnung für meine zwanzig Arbeitsstunden zukommen liess, weigerte er sich zu zahlen.» Ein Stundenansatz von 400 Franken sei ihm zu hoch. «Das ist aber mein normaler Ansatz», meint der Anwalt.
Der Beklagte schüttelt den Kopf. Man sei hier nicht zusammengekommen, um über die gute Arbeit des Anwalts zu diskutieren, sondern über «die unverschämt hohe Rechnung von 8000 Franken». Vom Stundenansatz habe er erst aus der Rechnung erfahren. «Hätte ich früher davon gewusst, hätte ich mir sofort einen anderen Anwalt gesucht.»
«Der Anwalt hat meine Situation ausgenutzt»
Der sichtlich genervte Kläger wirft ein, ein Ansatz von 400 Franken pro Stunde sei überhaupt nicht unverschämt. Kollegen von ihm würden für die gleiche Arbeit 600 bis 800 Franken verlangen. «Zudem habe ich meinen Zeitaufwand für den Beklagten bloss zurückhaltend aufgeschrieben.»
Das könne er nicht beurteilen, meint der Beklagte dazu. Sicher sei aber, dass jeder andere Anwalt zuerst einen Kostenvoranschlag gemacht hätte: «Der Kläger hat meine Situation ausgenutzt und mir eine viel zu hohe Rechnung zukommen lassen.»
Die Richterin sagt nicht viel zum Disput der Parteien und hört vor allem zu. «Können Sie sich zu einem Vergleich zusammenraufen?», will sie dann wissen. Beide winken ab.
Das Urteil folgt schriftlich. Die Richterin heisst die Klage des Anwalts im Betrag von 6000 Franken gut. Zusätzlich muss ihm der Beklagte eine Prozessentschädigung von 1000 Franken zahlen. Die Gerichtskosten von 1500 Franken muss der Kläger zu einem Viertel, der Beklagte zu drei Vierteln übernehmen. Begründung: Die Rechnung sei eher hoch und die Information des Klienten knapp gewesen. Deshalb sei eine Reduktion des Honorars angebracht.
Honorar mit dem Anwalt klar abmachen
Laut den Berufsregeln müssen Anwälte ihre Klienten über die Rechnungsstellung informieren. Immer häufiger schliessen Anwalt und Klient einen schriftlichen Vertrag ab. Darin wird der Auftrag umschrieben, inklusive Honoraransatz.
Das Honorar bemisst sich nach dem persönlichen Zeitaufwand des Anwalts. Darin ist der Aufwand des Sekretariats inbegriffen. Das Honorar beträgt in der Regel zwischen 200 und 400 Franken pro Stunde. Dazu kommt die Mehrwertsteuer (8 Prozent) sowie Spesen – etwa für Telefon, Kopien oder Auto.
Tipp: Besprechen Sie das Honorar und die Rechnungsstellung beim ersten Treffen mit Ihrem Anwalt. Vereinbaren Sie mit ihm ein Kostendach. Oder verlangen Sie mindestens periodisch eine Zwischenabrechnung. So vermeiden Sie unschöne Überraschungen.
Wer mit einer Rechnung nicht einverstanden ist, sollte zuerst beim Anwalt reklamieren. Ist das erfolglos, kann man die Rechnung vom kantonalen Anwaltsverband überprüfen lassen, sofern der Anwalt Mitglied des Verbands ist. Das gilt für die Kantone BS, BL, GR, SG und ZH.