Migros-Chef Herbert Bolliger ächzt unter den Euroshoppern. In der Schweiz sorge der Einkaufstourismus für Arbeitslosigkeit. Er selbst habe in Deutschland vor 25 Jahren eine Lederpolstergruppe gekauft. Doch heute gebe er sein Geld dort aus, «wo ich es verdiene», schwor Bolliger in einem «Blick»-Interview Anfang April.
Der «Blick» fragte nach, wie viele Arbeitsplätze die Migros heute zusätzlich hätte, wenn der Einkaufstourismus seit 2011 nicht massiv zugenommen hätte. Antwort Bolliger: Er gehe für den gesamten Detailhandel von «über 30 000» vernichteten Arbeitsplätzen aus. In der Branche gelte der Grundsatz: Eine Milliarde weniger Umsatz bedeutet 3300 Arbeitsplätze weniger.
saldo wollte vom Migros-Chef wissen: Wurden tatsächlich 30 000 Stellen abgebaut? Antwort: Nein, sie wurden nicht geschaffen. Und wie viele Stellen hat Bolliger wegen des Einkaufstourismus gestrichen? «Eine konkrete Zahl zur Migros können wir nicht nennen», so das Unternehmen.
Der Konzern beschäftigt im genossenschaftlichen Detailhandel in der Schweiz nicht weniger, sondern immer mehr Personal. 2011 waren es 56 462 Angestellte, 2016 schon 61 364. Angestiegen ist auch der Personalbestand der Migros-Gruppe insgesamt (siehe Grafik). Die Detailhandelsumsätze blieben in der gleichen Periode ungefähr stabil bei rund 14,5 Milliarden Franken. 2016 erzielten einige Genossenschaften – auch grenznahe – ein leichtes Plus, andere ein leichtes Minus. Insgesamt erhöhte sich der Umsatz der Migros-Gruppe 2016 auf 27,7 Milliarden Franken. Von Rückgang oder Krise also keine Spur. Mehr noch: Die Migros eröffnete 30 neue Läden und Take-aways.
Auch bei Coop nimmt die Zahl der Stellen weiter zu
Bei Hauptkonkurrentin Coop läufts gleich: Von 2013 bis 2016 blieb der Umsatz im Detailhandel mit 17,4 und 17,2 Milliarden Franken fast stabil. Der Umsatz der ganzen Gruppe erreichte letztes Jahr mit 28,3 Milliarden Franken einen Rekord. Die Zahl der Stellen nahm leicht zu: von 45 407 (2012) auf 46 637 im letzten Jahr. «Fördert der Einkaufstourismus die Arbeitslosigkeit in der Schweiz?», wollte saldo von Coop wissen. «Nein», entgegnet Coop.
Migros & Co. wollen Einkaufstouristen zur Kasse bitten
Migros, Denner, Coop und Manor fordern ein Ende des mehrwertsteuerbefreiten Warenimports bis 300 Franken. Konkret: Wer sich die Mehrwertsteuer auf seine Auslandeinkäufe am Zoll zurückerstatten lässt, soll künftig auch noch beim Schweizer Zoll vorbei und dort die Schweizer Mehrwertsteuer bezahlen. Denn wer in der Schweiz einkaufe, werde benachteiligt, kritisieren die Detailhändler. Das steht in einem internen Bericht der IG Detailhandel, den die Zeitung «Schweiz am Wochenende» kürzlich publik machte.
Was die Grossverteiler nicht sagen: Auch sie importieren jedes Jahr viele Waren aus dem Ausland. Zahlen dazu geben sie nicht bekannt. Darauf müssen sie zwar am Zoll Mehrwertsteuer zahlen, den gleichen Betrag erhalten sie aber von der Steuerverwaltung zurück.