Eigentlich sei der Fall ja klar, sagt der Anwalt der Mieter, als er die Klage auf eine Mietzinssenkung begründet. Die Ausgangslage gibt ihm recht: Das Ehepaar mietete vor zwei Jahren ein neu erstelltes Einfamilienhaus und zahlt dafür gut 3000 Franken Miete pro Monat. Damals lag der Referenzzinssatz für Hypotheken bei 2 Prozent. Im Folgejahr fiel dieser Zinssatz auf 1,75 Prozent. Das gibt den Mietern theoretisch Anrecht auf eine Senkung der Miete um 2,91 Prozent. Der Vermieter kann allerdings die Teuerung und allgemeine Kostensteigerungen mit diesem Senkungsanspruch verrechnen.
Im Endeffekt hatten die Mieter nach ihrer Berechnung eine Reduktion um 90 Franken pro Monat zugut. Diesen Betrag machten sie geltend. Die Forderung geriet dem Vermieter jedoch in den falschen Hals – und er unternahm alles, um die
Sache zu verkomplizieren.
Aus 5-Zimmer-Haus wird ein Luxusobjekt
Zuerst berief er sich auf eine Ausnahmebestimmung, wonach der Senkungsanspruch bei Luxusobjekten nicht gilt. Dann merkte er, dass das in durchschnittlicher Qualität gebaute Einfamilienhaus mit 5,5 Zimmern plus Hobbyraum und Estrich nicht als «Luxus» durchgehen würde, selbst wenn die Küche neben einem Backofen noch über einen Steamer verfügte. So machte er schliesslich eine Gegenforderung geltend. Gestützt auf angeblich hohe «wertvermehrende Investitionen» wollte er die Miete um 160 Franken erhöhen, statt sie 90 Franken zu senken.
Der Anwalt des Mieterehepaars hält zum Abschluss seines Plädoyers jedoch kategorisch fest: «Von unserer Seite werden wertvermehrende Investitionen bestritten.»
Dann erteilt die Einzelrichterin dem Anwalt des Vermieters das Wort. Der legt des Langen und Breiten dar, sein Mandant habe 43 000 Franken für Gartenbauarbeiten ausgegeben, damit das Mietobjekt «objektiv höhere Ansprüche befriedigt». Tonnenweise Steinquader seien zu einer Mauer verbaut worden. Anstelle der unpraktischen, abfallenden Böschung sei eine ebene, «viel einfacher zu pflegende Fläche» entstanden. Das müsse als wertvermehrend berücksichtigt werden und rechtfertige eine Mieterhöhung um 142 Franken.
Der Vermieter krebst zurück
Genau betrachtet kommt dieses Plädoyer einem Rückzugsgefecht gleich. Denn die ursprünglich angedrohte Erhöhung von 160 Franken ist inzwischen auf 142 Franken gesunken. Und selbst diesen Betrag fordert der Vermieter nicht mehr voll ein. Mittlerweile gäbe er sich zufrieden, wenn sein behaupteter Erhöhungsanspruch mit der Senkung verrechnet würde – die Miete im Endeffekt also unverändert bliebe.
Davon will die Gegenseite nichts wissen. Der grösseren Rasenfläche komme keinerlei Mehrwert zu, so der Mieteranwalt. Erstens sei bei Abschluss des Mietvertrags ein terrassierter Garten vereinbart worden, der eine abwechslungsreiche, artenreiche Bepflanzung ermögliche. «Es geht den Mietern weder um rationelles Rasenmähen noch um ein Fussballfeld oder einen kleinen Kartoffelacker», verdeutlicht er. Zweitens sei die sechs Meter hohe Mauer keineswegs teurer als die vereinbarte Terrassierung. Drittens handle es sich um ein gefährliches Werk. Es sei ohne Baubewilligung erstellt worden und habe keine Absturzsicherung. «Die Mieter mussten auf eigene Kosten einen Zaun erstellen und behalten sich vor, die Auslagen von 5000 Franken geltend zu machen», so der Anwalt.
Ignorierte Baumängel vergifteten das Klima
Der Vermieter lenkt nicht ein. Sein Anwalt legt nun Pläne vor, die beweisen sollen, dass ursprünglich effektiv nur eine kostengünstige Böschung geplant wurde. Die Mieterseite kann ihrerseits diese Darstellung mit einem Plan entkräften, der direkt vom Generalunternehmer stammt und die dreistufige Terrassierung bestätigt. Im Laufe der Verhandlung wird auch klar, weshalb die Atmosphäre zwischen den beiden Parteien dermassen getrübt ist: Die Mieter hatten Baumängel festgestellt und gemeldet, doch der Vermieter ignorierte das Problem.
Das Gericht bittet die Parteien zu Vergleichsgesprächen. Nach einer Dreiviertelstunde steht eine Einigung, die zur Entspannung der verfahrenen Situation beitragen soll. Die Mieter erhalten die geforderte Mietsenkung weitgehend, aber nicht in voller Höhe. Der Vermieter dankt ihnen für das Entgegenkommen und verspricht, die Beseitigung der Baumängel an die Hand zu nehmen.
Teure Verfahren um Mietzinssenkungen
Streitigkeiten um Mietzinssenkungen können teuer werden. Die erste Instanz – die Schlichtungsbehörde – ist zwar noch gratis. Aber wer sich dort nicht einigt und ans Mietgericht gelangt, muss schon bei kleinen Mietzinsdifferenzen mit happigen Gerichtskosten rechnen. Grund: Die Verfahrenskosten richten sich nach dem Streitwert. Als Streitwert gilt bei Begehren um Mietzinssenkungen die Zinsdifferenz während 20 Jahren.
Konkret: Wer eine Mietzinsreduktion von 90 Franken pro Monat verlangt, muss mit gleich hohen Gerichtskosten wie bei einer Forderungsklage von 21 600 Franken rechnen. Die Höhe der Gerichtsgebühren ist von Kanton zu Kanton unterschiedlich. Im Durchschnitt belaufen sie sich bei diesem Streitwert auf rund 3000 Franken.