Der Schriftsteller Navid Kermani reiste Ende 2015 von Budapest nach Izmir an die türkische Westküste, begleitet von einem Fotografen. Es ist die umgekehrte Route, die Hunderttausende von Flüchtlingen aus Syrien, Afghanistan und andern Ländern machen. Entstanden ist eine eindrückliche Reportage samt Schwarzweissbildern. Kermani beschreibt, wie sich in der Hafenstadt Mytilini auf der griechischen Insel Lesbos Touristen mit Flüchtlingen mischen. Er spricht mit dem syrischen Kurden Mohammed, der im türkischen Assos auf eine Überfahrt nach Lesbos wartet. Für 1200 Euro hat er ein Ticket gekauft. Als er in einem Schlepperboot endlich einen Platz findet, packt ihn die Panik. Er kehrt um. Alle andern fahren los.  

Auch Kermani hat «kein Zaubermittel» gegen das Flüchtlingselend. Klar ist für ihn jedoch, dass «Abschottung» keine Lösung ist. «Solange es so gut wie keine Möglichkeit gibt, sich für eine legale Einwanderung zu bewerben, und Flüchtlinge an keiner europäischen Aussengrenze einen Asylantrag stellen können, werden sie sich weiter in Schlauchboote setzen.»

Navid Kermani, «Einbruch der Wirklichkeit», C. H. Beck Verlag, 91 Seiten, ca. Fr. 16.–