Seit Herbst 2021 steigen die Preise für Strom markant an. Eine Megawattstunde kostete an der Börse in Leipzig im September 2021 noch 128 Euro. Im März dieses Jahres waren es bereits 252 Euro. Und der Bund muss für eine Stromreserve aus Wasserkraft für den nächsten Winter gar 740 Euro zahlen, wie der «Tages-Anzeiger» vergangene Woche meldete.
Das ist der Preis, den die Berner Kraftwerke und die Alpiq verlangten. Die Axpo hatte dem Bund einen noch höheren Preis offeriert. Laut «Tages-Anzeiger» betragen die Gestehungskosten für Wasserkraft der Axpo 60 bis 70 Franken pro Megawattstunde.
Die Axpo hiess bis 2008 Nordostschweizerische Kraftwerk AG. Sie wurde 1914 von den Kantonen Aargau, Glarus, Schaffhausen, Thurgau, Zug und Zürich gegründet. Später stiegen auch St. Gallen und die beiden Appenzell ein.
Die Axpo ist heute die grösste Schweizer Stromproduzentin. Zweck der Aktiengesellschaft ist es laut Gründungsvertrag, den gemeinsam produzierten Strom fair untereinander zu verteilen. Heute heisst der Zweck gemäss Handelsregister: «Halten von Beteiligungen an in- und ausländischen Unternehmungen aller Art, insbesondere Unternehmungen der Energiewirtschaft.»
Die Axpo ist inzwischen auch im übrigen Europa, in Asien, Afrika und Nordamerika tätig und besitzt 34 Tochtergesellschaften ausserhalb der Schweiz. Sie handelt nicht nur mit Strom aus eigener Produktion, sondern beispielsweise auch mit Windstrom von finnischen Produzenten oder mit Solarstrom des US-Anlagenbetreibers Cypress Creek.
Dafür mietet die Axpo teure Büros in aller Welt – zum Beispiel an der Fifth Avenue in New York. Bis 2016 sassen sechs Regierungsräte aus den Aktionärskantonen im Verwaltungsrat. Sie genehmigten den Ausbau des Handelsgeschäfts – 2015 zum Beispiel den Einstieg der Axpo in den US-amerikanischen Energiehandel.
Über eine Milliarde Franken Gewinn im letzten Jahr
Der Handel mit Strom läuft für die Axpo zurzeit wie geschmiert: Laut den aktuellsten Geschäftszahlen machte das Unternehmen von Oktober 2021 bis März 2022 mit dem Handel von Strom, Öl, Gas und Kohle einen Gewinn von über einer Milliarde Franken. Ein Jahr zuvor waren es noch 80 Millionen.
Die bei der Axpo angestellten Händler erhalten Boni auf an der Börse erzielten Gewinnen. Laut dem Internetportal «Inside Paradeplatz» streichen 15 Händler je eine Million Franken Jahreslohn ein. Die Handelsabteilung der Axpo zählt heute 1668 Vollzeitstellen. Die Axpo dementiert die fürstlichen Gehälter nicht: «Es ist üblich, Händler am Erfolg direkt zu beteiligen», schreibt der Stromkonzern.
Das heutige Geschäftsmodell der Axpo kommt die Schweizer Strombezüger teuer zu stehen. Beispiel: Obwohl der Kanton Zürich der grösste Aktionär der Axpo ist, können die Elektrizitätswerke des Kantons Zürich EKZ den Strom nicht zu Gestehungskosten einkaufen. «Wenn die EKZ bei der Axpo Strom einkauft, kaufen wir zu Marktpreisen mit einem entsprechenden Händleraufschlag», sagt ein Sprecher zu saldo. Die Marktpreise seien bei allen Händlern gleich. Sie entsprechen denen an der europäischen Energiebörse in Leipzig.
Der weltweite Stromhandel der Axpo ist für die Konsumenten nicht nur teuer, die Steuerzahler tragen neu auch noch ein erhebliches Milliardenrisiko. Die Axpo reichte Anfang September beim Bundesrat ein Gesuch um «temporäre Liquiditätsunterstützung» ein. Dieser bewilligte per Notrecht einen Rettungsschirm von 4 Milliarden Franken.
Doch warum braucht ein hochprofitables Unternehmen wie die Axpo Hilfe vom Bund? Grund: Die Axpo kauft und verkauft Strom oft für Jahre im Voraus. Zur Absicherung der künftigen Stromlieferungen müssen die Verkäufer bei der europäischen Strombörse in Leipzig finanzielle Sicherheiten hinterlegen.
Wegen des gestiegenen Strompreises seien die benötigten Mittel für solche Sicherheitszahlungen deutlich gestiegen, schreibt die Axpo. Würde die Axpo den Strom ihrer Kraftwerke an die kantonalen Elektrizitätswerke verkaufen, statt an der Börse zu spekulieren, müsste sie keine Milliardenreserven zur Absicherung von Spekulationsgeschäften auf die Seite legen. Die Kantone haben die riskanten Handelsgeschäfte bisher toleriert. Denn als Aktionäre erhielten sie stattliche Dividenden.
Politiker fordern Rückkehr zum Kerngeschäft
Das Handelsgeschäft der Axpo sorgt bei Politikern von links bis rechts für Kritik. Sie fordern, dass der Konzern die Kunden wieder mit günstigem Strom beliefert, statt auf den Weltmärkten zu spekulieren. Wie viel Strom die Axpo aktuell an die kantonalen Elektrizitätswerke liefert und wie viel sie an der Börse verkauft, will sie nicht sagen.
Tatsache ist: Das Elektrizitätswerk des Kantons Zürich EKZ und die St. Gallisch-Appenzellischen Kraftwerke SAK bezogen 2014 noch den gesamten Strom bei der Axpo. Aktuell bezieht das EKZ nur noch rund 18 Prozent von der Axpo. Die SAK äussert sich nicht. Beide Stromversorger erhöhten die Energiepreise wegen der gestiegenen Marktpreise zuletzt um 50 bis 75 Prozent.
Ein durchschnittlicher Haushalt im Versorgungsgebiet des Elektrizitätswerks des Kantons Zürich bezahlt deshalb 2023 rund Fr. 277.60 mehr für den Strom als im laufenden Jahr (saldo 14/2022).
Fazit: Die Axpo und ihre Energiehändler verdienen dank der steigenden Strompreise fürstlich – und die Kantone können sich bald wieder auf hohe Dividendenzahlungen freuen. Die Haushalte dagegen werden 2023 wegen der steigenden Energiepreise zur Kasse gebeten.