Seit kurzem gibt es in Neftenbach ZH einen Scheibenstandweg. Namensgeber ist der Scheibenstand, der jetzt eine Postadresse erhalten hat – obwohl dort kein Briefträger je etwas hinbringen wird. Der Neftenbacher Gemeinderat gab Anfang August 18 Strassen und Flurwegen einen Namen. In Winterthur taufte der Stadtrat kürzlich 31 Strassen. Hintergrund: Der Bundesrat hat im Juni des vergangenen Jahres die überarbeitete Verordnung über das eidgenössische Gebäude- und Wohnungsregister (GWR) gutgeheissen. Neu müssen die Gemeinden auch Gebäude ohne Wohnnutzung ins Register eintragen, inklusive Strassenname und -nummer.
Das heisst: Künftig haben auch Scheunen, Kaninchenställe oder Bienenhäuser eine Postadresse – sofern sie über ein Dach verfügen, mit dem Boden fest verbunden und auf Dauer angelegt sind.
Hunderttausende von Gebäuden sollen neu erfasst werden
Die Kantone haben bis Ende 2020 Zeit, um alle Gebäude ins Register einzutragen. Im Kanton Zürich müssen laut Baudirektion 100 000 Gebäude adressiert werden. Dazu braucht es 1000 bis 2000 neue Strassennamen. Der Kanton Solothurn rechnet mit bis zu 36 000 neu zu erfassenden Gebäuden, Graubünden mit 65 000 und der Kanton Bern mit 200 000. Der Bund schätzt, dass total eine Million unbewohnte Gebäude registriert und ein paar Tausend neue Strassennamen geschaffen werden müssen.
Eigentlich sind unbewohnte Gebäude bereits in den Daten der amtlichen Vermessung der einzelnen Kantone enthalten. Doch lassen sich diese Daten nicht eins zu eins ins eidgenössische Register übertragen. Die Gebäudedefinitionen stimmen nicht immer mit jenen des Bundes überein.
Patrick Kummer vom Bundesamt für Statistik rechtfertigt den grossen Aufwand: Es werde künftig ein nationales Adressverzeichnis für alle Gebäude geben. Und die Daten sollen «aussagekräftige und repräsentative Statistiken im Bereich Bauwesen» ermöglichen.
Bernardo Albisetti vom Bau- und Justizdepartement des Kantons Solothurn findet es zwar sinnvoll, bewohnte Gebäude zu erfassen, aber bei einem unbewohnten Trafohäuschen werde es «absurd»: «Das ist Schweizer Verwaltungsperfektionismus, der nichts bringt.»
Unklar ist, was das alles kostet. Laut Robert Balanche vom Bundesamt für Landestopographie Swisstopo müssen die Kantone bis Ende Jahr ein Konzept für die Datenharmonisierung zwischen amtlicher Vermessung und GWR erstellen. Erst dann könne man die Gesamtkosten abschätzen. Der Kanton Zürich ist schon weiter: Er rechnet mit Kosten von zwei Millionen Franken – ohne Benennung von Strassen, welche die Gemeinden meist an Ingenieurbüros auslagern. Ebenfalls zulasten der Gemeinden geht die Beschilderung. Winterthur rechnet für eine Strassentafel mit Ständer mit 500 Franken. Dazu kommen im Durchschnitt 500 Franken für Grabungsarbeiten.