Knebelverträge für Beizer machen Bier teuer
In den meisten Beizen ist nur das Bier einer einzigen Brauerei erhältlich. Und das zu einem stolzen Preis. Grund sind die von den Brauereien diktierten Bierlieferungsverträge.
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saldo 05/2012
11.03.2012
Letzte Aktualisierung:
13.03.2012
Eric Breitinger
Eine Stange Bier kostete diesen Januar in den Restaurants im Schnitt Fr. 4.79. Das sind Fr. 1.24 oder 35 Prozent mehr als vor zehn Jahren. Maurus Ebneter vom Wirteverband Basel-Stadt macht die Grossbrauereien für die happige Teuerung verantwortlich: «Carlsberg und Heineken halten den Preis für ein Fass Bier in der Schweiz hoch.»
Zum dänischen Carlsberg-Konzern gehören die Schweizer Marken Feldschlösschen und Cardinal, zur niederländischen ...
Eine Stange Bier kostete diesen Januar in den Restaurants im Schnitt Fr. 4.79. Das sind Fr. 1.24 oder 35 Prozent mehr als vor zehn Jahren. Maurus Ebneter vom Wirteverband Basel-Stadt macht die Grossbrauereien für die happige Teuerung verantwortlich: «Carlsberg und Heineken halten den Preis für ein Fass Bier in der Schweiz hoch.»
Zum dänischen Carlsberg-Konzern gehören die Schweizer Marken Feldschlösschen und Cardinal, zur niederländischen Heineken-Gruppe Eichhof, Calanda, Haldengut und Ziegelhof. Carlsberg hat nach eigenen Angaben einen Anteil von knapp 45 Prozent am Schweizer Biermarkt, Heineken 20 Prozent.
Der Basler Wirteverband will dem Preistreiben nicht weiter zusehen. Er wandte sich vor kurzem an die Wettbewerbskommission Weko und den Preisüberwacher. Sie sollen prüfen, ob Carlsberg in der Schweiz «seine Marktmacht» missbrauche und den Wettbewerb verhindere. Carlsberg bestreitet das.
Feldschlösschen und Eichhof verteuerten seit 1999 ihre Fassbiere insgesamt neun Mal, Heineken-Bier wurde zehn Mal teurer. Preisabschläge gab es nicht. Ein Wirt zahlt heute für 1 Liter Lagerbier von Feldschlösschen 52 Prozent mehr als 1998. Bei Eichhof und Heineken beträgt der Aufschlag 44 und 37 Prozent. Die allgemeine Teuerung stieg seit 1995 nur um 13 Prozent. Die Feldschlösschen AG will ab Mai 2012 ihr Bier um 4,4 Prozent verteuern.
Deshalb werden die Preise für die Restaurantkunden einmal mehr steigen. Einige ihrer Abnehmer haben laut Wirte- und Hotelverband Gastrosuisse bereits Erhöhungen angekündigt.
Viele Schweizer Wirte sind an langfristige Verträge gebunden
Dass die Brauereien den Preis für Fassbier hoch halten, hat skurrile Folgen: Die meisten Wirte zahlen heute für ihr Bier im Einkauf mehr, als wenn sie es in Dosen im Laden kaufen würden. Bei Coop kostet eine Halbliter-Dose Feldschlösschen Lager Fr. 1.50. Im Fass zahlt der Wirt für das gleiche Bier und die gleiche Menge Fr. 1.58.
Noch krasser ist der Preisunterschied bei der Feldschlösschen-Billigmarke Anker. 24 Halbliter-Dosen gibt es bei Aktionen in Coop oder Denner für 12 Franken, 70 Prozent billiger als das Lager-Fassbier aus der gleichen Brauerei. Carlsberg und Heineken bieten in der Schweiz kein günstiges Bier aus dem Fass an. Die Multis begründen dies mit ihrer Positionierung als Hersteller von Markenbieren.
Die meisten Wirte könnten, selbst wenn sie wollten, kein günstigeres Bier anbieten. Laut Gastrosuisse sind «bis zu 70 Prozent» der 23 000 Schweizer Wirte in langfristigen Bierverträgen gebunden, zumeist an Carlsberg oder Heineken.
saldo liegt ein Vertrag zwischen einem Basler Gastronomen und der Feldschlösschen AG vor. In diesem verpflichtet sich der Wirt, fünf Jahre lang bestimmte Feldschlösschen-Biere «exklusiv» auszuschenken. Die Brauerei darf deren Preis nach Belieben erhöhen. Schenkt der Wirt ein anderes Bier aus, drohen Schadenersatzforderungen. Im Gegenzug gewährt ihm die Brauerei ein Darlehen und leiht ihm eine Ausschankanlage. Und: Sie zahlt ihm Rückvergütungen auf den Bierumsatz. Im konkreten Fall sind es 13 Prozent. Die Höhe ist laut Insidern Verhandlungssache: Kleine und unerfahrene Wirte erhalten maximal 10 Prozent. Wirte grosser oder renommierter Lokale können bis zu 30 Prozent herausholen, plus Extras wie Gratisgläser und Werbezuschüsse. Zapft ein Wirt also im Jahr 22 000 Liter Bier zum Einkaufspreis von 70 000 Franken, erhält er bei 30 Prozent Rückvergütung 21 000 Franken zurück.
Den Preiserhöhungen der Brauereien schutzlos ausgeliefert
Ohne Vertrag zahlt ein Wirt laut Branchenkennern den vollen Preis. Deshalb steigen viele Gastwirte in einen Biervertrag ein. Maurus Ebneter vom Basler Wirteverband kritisiert, dass «die Wirte durch die Knebelverträge den ständigen Preiserhöhungen der Brauereien schutzlos ausgeliefert sind». Laut Gastrosuisse-Direktor Bernhard Kuster behindert die «mangelnde Transparenz beim Rabattsystem den Wettbewerb». Kein Wirt wisse genau, was der Kollege zahle, und könne daher nicht Vergütungen einfordern.
Carlsberg-Sprecherin Gaby Gerber betont, die Brauerei habe die Bierlieferungsverträge nach einer Weko-Untersuchung im Jahr 2005 den geänderten Vorgaben angepasst. Heineken erklärt, alle Gastronomen würden die Verträge freiwillig abschliessen.
An den hohen Schweizer Preisen könnte der Direktimport durch die Beizer etwas ändern. In Deutschland und Frankreich ist Fassbier gemäss Preisvergleichen des Basler Wirteverbandes rund 50 Prozent günstiger. Dieses Bier unterscheidet sich laut Kennern qualitativ nicht vom Schweizer Gerstensaft. Dennoch importiert es fast niemand – da die meisten Wirte vertraglich gebunden sind.
Carlsberg und Heineken kontrollieren zusammen bis zu 70 Prozent des Getränkevertriebs in der Schweiz. Für Maurus Ebneter vom Basler Wirteverband ist klar, dass «konzerneigene Händler nicht durch eigene Importe die hohen Bierpreise ihrer Brauereien attackieren». Beide Konzerne sagen, dass sie den Parallelimport nicht behindern.
Unabhängige Getränkehändler spüren die Macht der Konzerne
Die Getränkefirma Theo Rietschi AG aus Arlesheim BL importiert seit 2006 für den Basler Wirteverband Fassbier aus Bayern. Der Einkaufspreis beträgt Fr. 1.79 pro Liter, 44 Prozent weniger als beim Lagerbier von Feldschlösschen. Es gibt ein paar Dutzend Abnehmer in der Region. Aber das Baselbieter Unternehmen wird laut eigenen Angaben von den Grossbrauereien bei neuen Getränkelieferverträgen gemieden. Die Konzerne verkaufen ihr Bier lieber via die eigenen Händler – zu selbst definierten Preisen.