Computertomografie: Unnötige Strahlenrisiken
Ärzte setzen den Computertomografen viel zu häufig ein. Und setzen die Patienten oft einer unnötig hohen Strahlendosis aus.
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saldo 09/2011
08.05.2011
Letzte Aktualisierung:
09.05.2011
Eric Breitinger
Für Röntgenbilder setzen Ärzte immer häufiger auf Computertomografen (CT). Die Zahl der Scans stieg nach Angaben des Krankenkassenverbands Santésuisse zwischen 2006 und 2009 3,5 Mal stärker an als die Zahl der Arztbesuche. Rund 780 000 CT-Untersuchungen machten Spitäler und Ärzte laut dem Bundesamt für Gesundheit (BAG) allein 2008.
Der Einsatz des Computertomografen bietet Ärzten Vorteile: Das um den Körper ...
Für Röntgenbilder setzen Ärzte immer häufiger auf Computertomografen (CT). Die Zahl der Scans stieg nach Angaben des Krankenkassenverbands Santésuisse zwischen 2006 und 2009 3,5 Mal stärker an als die Zahl der Arztbesuche. Rund 780 000 CT-Untersuchungen machten Spitäler und Ärzte laut dem Bundesamt für Gesundheit (BAG) allein 2008.
Der Einsatz des Computertomografen bietet Ärzten Vorteile: Das um den Körper des Patienten rotierende Gerät liefert dem Arzt scharfe dreidimensionale Bilder, anhand derer er schnell und sicher eine Diagnose stellen kann. In jüngster Zeit benützen Ärzte daher CT-Aufnahmen verstärkt, um auch Darmkrebs, Lungenembolien oder Gefässverschlüsse zu erkennen.
Belastung viel stärker als beim Röntgen
Jede Aufnahme setzt den Patienten aber einer Strahlenbelastung aus. Laut einer neuen BAG-Studie ist die effektive Strahlendosis von CT-Untersuchungen der Brust bis zu 100 Mal höher als bei Röntgenaufnahmen.
Etwa zwei Drittel der Strahlenbelastung der Bevölkerung geht laut dem Bundesamt auf das Konto von CT-Scans. Eine US-Studie von 2007 warnte davor, dass die heute durchgeführten Computertomografien künftig für bis zu 2 Prozent aller neuen Krebserkrankungen verantwortlich sein könnten.
Für die USA bedeutet dies laut einer 2009 veröffentlichten Studie jährlich rund 29 000 zusätzliche Tumore. Für die Schweiz gibt es keine Zahlen. Spitäler und Radiologie-Institute behandeln Patienten zudem oft mit mehr Strahlung, als nötig wäre.
Manche Radiologen arbeiten laut der BAG-Studie bei CT-Scans des Herzens oder Schädels mit bis zu zehn Mal höheren Strahlendosen als andere. Ein Teil der Strahlung wäre vermeidbar.
So untersuchten Experten des Instituts für diagnostische Radiologie des Berner Inselspitals die CT-Praxis von zehn Spitälern und unterwiesen diese in der strahlenarmen Handhabung der Geräte.
Ergebnis: Viele Spitäler setzen laut dem Radiologen Sebastian Schindera «ihre Computertomografen nicht optimal ein». Nach seinen Erfahrungen «lässt sich die Strahlenbelastung der Patienten um bis zu 40 Prozent reduzieren, ohne dass die Aussagekraft der Bilder leidet». Das Bundesamt bietet Radiologie-Abteilungen nun Schulungen an.
Tomografeneinsatz je nach Kanton anders
Viele Computertomografien sind ohnehin überflüssig. In Schweden sind laut Studien rund 20 Prozent aller Untersuchungen nicht gerechtfertigt. Das BAG verfügt über keine Zahlen. Ob ein Patient eine Computertomografie erhält, hängt auch davon ab, wo er wohnt.
In Basel-Stadt kamen Patienten 2009 laut einer Santésuisse-Statistik 60 Prozent häufiger in die Röhre als der Schweizer Durchschnitts-Patient, Patienten in den Kantonen Schwyz, Appenzell Ausserrhoden oder Baselland 40 Prozent seltener.
Santésuisse-Sprecherin Silvia Schütz geht davon aus, dass gewisse CT-Untersuchungen unnötig sind oder durch andere Verfahren wie Ultraschall oder Röntgen ersetzbar wären. Sie kritisiert, dass es «bisher keine Anreize gibt, CTs zu vermeiden».
Im Gegenteil: Ein Zürcher Spital kann pro CT-Scan des Brustkorbs knapp 600 Franken verrechnen, fünf Mal mehr als bei einer Röntgenaufnahme.
Tipps: So schützen Sie sich vor zu viel Strahlung
Vor allem Kinder und jüngere Erwachsene sollten sich vor zu vielen und hoch dosierten Untersuchungen im Computertomograf (CT) hüten. Je jünger ein Patient ist, desto sensibler reagieren die Organe auf Strahlen. Mit der Lebenserwartung wächst zudem das Risiko, an Krebs zu erkranken.
Fragen Sie für sich oder Ihr Kind vor einer CT nach, ob ein Alternativverfahren ohne Strahlenbelastung in Frage kommt, etwa eine Untersuchung per Ultraschall oder eine Kernspintomografie (MRT).
Ist eine CT-Untersuchung nötig, sollte man sich bei den Radiologen erkundigen, ob sie eine strahlenarme Einstellung gewählt haben oder diese möglich ist.