Chemiekeule für Kartoffeln
Jede zweite Kartoffel wird mit chemischen Mitteln gegen das Auskeimen behandelt. In der Schweiz muss dies jedoch nicht deklariert werden.
Inhalt
K-Tipp 05/2011
06.03.2011
Letzte Aktualisierung:
08.03.2011
Darko Cetojevic
Ein Grossteil der Kartoffeln in der Schweiz und im Ausland werden nach der Ernte chemisch behandelt. Der Effekt ist wie beim begasten Fleisch (siehe K-Tipp 2/11): Die Kartoffeln sehen dadurch länger frisch aus und lassen sich besser verkaufen.
Die Produzenten verwenden meist den chemischen Wirkstoff Chlorpropham, um das unerwünschte Auskeimen zu verhindern. Der Grund liegt auf der Hand:...
Ein Grossteil der Kartoffeln in der Schweiz und im Ausland werden nach der Ernte chemisch behandelt. Der Effekt ist wie beim begasten Fleisch (siehe K-Tipp 2/11): Die Kartoffeln sehen dadurch länger frisch aus und lassen sich besser verkaufen.
Die Produzenten verwenden meist den chemischen Wirkstoff Chlorpropham, um das unerwünschte Auskeimen zu verhindern. Der Grund liegt auf der Hand: Laut Ernst König von der Branchenorganisation der Kartoffelwirtschaft Swisspatat sind ausgekeimte Kartoffeln «unansehnlich und damit unverkäuflich».
Rund die Hälfte aller Kartoffeln werden mit chemischen Keimhemmern präpariert. Chlorpropham wird eigentlich als Unkrautvernichter eingesetzt. Die Sicherheitshinweise für den Umgang mit diesem Stoff lassen denn auch nichts Gutes erahnen:
- «Berührung mit der Haut vermeiden»,
- «Dämpfe können Schläfrigkeit und Benommenheit verursachen» oder
- «Verdacht auf krebserzeugende Wirkung»
All dies hält das für die Zulassung zuständige Bundesamt für Landwirtschaft fest. Erst vier Wochen nach einer Begasung mit Chlorpropham dürfen Kartoffeln in den Verkauf gelangen. In Deutschland müssen sie mit dem Hinweis «nach der Ernte behandelt» versehen werden.
In der Schweiz jedoch erfährt der Konsument nicht, welche Kartoffeln behandelt wurden: «Eine entsprechende Deklaration ist nicht vorgeschrieben», heisst es beim Bundesamt für Landwirtschaft.
Die Vorschriften zur Anwendung von Keimhemmern seien so festgelegt worden, dass «nur gesundheitlich unbedenkliche Rückstände» erlaubt seien, heisst es weiter beim Amt.
Das sieht der Toxikologe Hermann Kruse vom deutschen Universitätsklinikum Schleswig-Holstein allerdings anders: Man sollte auf Chlorpropham verzichten, wo immer es gehe.
In der WDR-Sendung «Servicezeit» verweist Kruse in erster Linie auf die Tatsache, dass Chlorpropham im Verdacht stehe, Krebs zu erzeugen.
29 von 43 Proben mit Chlorpropham versetzt
Pikant: Der Toleranzwert für die Chlorpropham-Rückstände wurde 2006 verdoppelt – von 5 auf 10 Milligramm pro Kilogramm (mg/kg) Kartoffeln.
Im Jahresbericht 2009 des Kantonalen Laboratoriums Bern heisst es denn auch, zwar seien bei einer Untersuchung von Schweizer Kartoffeln in 29 von 43 Proben Chlorpropham zwischen 0,2 und 8,4 mg/kg nachgewiesen worden:
«Weil aber der Toleranzwert von 5 auf 10 Milligramm pro Kilo angehoben worden ist, musste keine Probe beanstandet werden.» Das Bundesamt für Gesundheit erachtet den Toleranzwert von 10 mg/kg als «unbedenklich». Doch Hermann Kruse kritisiert, deser Wert sei deutlich zu hoch.
Tipps: Lagerkartoffeln gut schälen
Um Rückstände von chemischen Keimhemmern möglichst zu vermeiden, empfehlen Experten:
- Bio- und IP-Kartoffeln kaufen: Hier dürfen theoretisch keine Keimhemmer verwendet werden. Stattdessen sollten natürliche Mittel wie Kümmelöl zum Einsatz kommen.
- Frühkartoffeln bevorzugen, die nicht gelagert werden.
- Das Risiko von Rückständen lässt sich reduzieren, wenn man Kartoffeln kauft, die während der Saison von Juni bis Dezember verkauft werden.
- Lagerkartoffeln immer gründlich schälen.