Krankenversicherung KPT: Der 50-Millionen-Franken-Coup
Auf Kosten der Prämienzahler: saldo zeigt auf, wie die Chefs der KPT sich und ihren Angestellten völlig unterbewertete Aktien zuschanzten.
Inhalt
saldo 13/2010
29.08.2010
Letzte Aktualisierung:
31.08.2010
Silvio Bertolami
Grundversicherung und Zusatzversicherung: Die KPT steht, wie bei Krankenkassen üblich, auf zwei Standbeinen. Die Chefs und Mitarbeiter sind die gleichen, die Versicherten weitgehend auch. Doch das Geschäft unterscheidet sich radikal: Die obligatorische Grundversicherung steckt im Korsett der Sozialgesetzgebung. Die Zusatzversicherung agiert hingegen im freien Markt.
Ist also in der Zusatzversicherung alles möglich? Die KPT-Chefs scheinen dieser Meinung zu sein. Verg...
Grundversicherung und Zusatzversicherung: Die KPT steht, wie bei Krankenkassen üblich, auf zwei Standbeinen. Die Chefs und Mitarbeiter sind die gleichen, die Versicherten weitgehend auch. Doch das Geschäft unterscheidet sich radikal: Die obligatorische Grundversicherung steckt im Korsett der Sozialgesetzgebung. Die Zusatzversicherung agiert hingegen im freien Markt.
Ist also in der Zusatzversicherung alles möglich? Die KPT-Chefs scheinen dieser Meinung zu sein. Vergangenen Juni brachte der «Sonntagsblick» einen aufsehenerregenden Artikel unter dem Titel: «Die KPT macht Chefs zu Millionären.» Er deckte auf, dass das KPT-Personal seit 2006 Aktien seiner Zusatzversicherungsfirma bezog – zu 28 bis 40 Franken pro Stück.
Und dass die KPT die Aktien nun zum Preis von 600 Franken zurückkauft. Wertzuwachs aller Mitarbeiteraktien: 50 Millionen Franken. Die grössten Profiteure sind die sieben Verwaltungsräte und fünf Geschäftsleitungsmitglieder. Sie sollen im Schnitt je 1,1 Millionen Franken kassieren. Der «Sonntagsblick» zitierte KPT-Verwaltungsratspräsident Walter Bosch: «Die Beteiligung der Mitarbeiter an ihrer Firma ist absolut legitim. Sie haben ein Anrecht auf den Preis.»
184 Millionen Rückstellungen in drei Jahren
Legitim? Von 28 und 40 auf 600 Franken in wenigen Jahren ist eine Zunahme um enorme 1400 bis 2000 Prozent. Da muss ein dicker Hund begraben sein. saldo-Recherchen zeigen, dass die KPT die Aktien viel zu billig abgegeben hat. Das ging so: Die fürs Zusatz-Geschäft zuständige KPT Versicherungen AG hat seit 1999 grosse Reserven gebildet – mit dem Geld der Prämienzahler.
Vor allem von 2003 bis 2005 forcierte man die Reserven:
- Die Rückstellungen für unerledigte Versicherungsfälle stiegen in diesen drei Jahren um 38 Millionen.
- Die Sicherheits- und Schwankungsrückstellungen nahmen um 37 Millionen zu.
- Und die Altersrückstellungen schnellten gar um 109 Millionen hoch.
- In den drei Jahren also total 184 Millionen. Jeder Buchhalter weiss: Je höher die Rückstellungen, umso tiefer der ausgewiesene Gewinn. Tatsächlich wies die KPT Versicherungen AG extrem tiefe Gewinne aus. Sie blieben bis 2006 unter 2 Millionen Franken pro Jahr.
Normalerweise schlucken die Steuerbehörden ein derartiges Missverhältnis zwischen Rückstellungen und Gewinnen nicht – weil sie sonst praktisch nichts einnehmen würden.
Laut Verwaltungsratspräsident Walter Bosch gelang es der KPT und anderen Krankenversicherern aber, die Steuerbehörden zu überzeugen, dass die Rückstellungen nötig sind. Geschickt argumentierten sie, man wisse ja nicht, was für Belastungen in Zukunft auf sie zukommen würden.
Ebenso geschickt schritten die KPT-Chefs nun zum Verkauf der Aktien an sich und die Mitarbeiter. Der Preis richtete sich nach den künstlich tief gehaltenen Gewinnen. Dass die KPT dank der Reserven – und das heisst dank des Geldes der Versicherten – immer reicher wurde, blieb unberücksichtigt.
Aktien massiv höher bewertet
Doch jetzt, wo es um den Rückkauf der Aktien durch die KPT geht, ist das völlig anders. Die KPT will mit der Sanitas fusionieren. Deshalb mussten unabhängige Gutachter die Aktien bewerten. Womit der wahre Wert zum Vorschein gekommen ist – eben nicht 28, nicht 40, sondern satte 600 Franken.
Gemäss Peter V. Kunz, Professor für Wirtschaftsrecht an der Uni Bern, kann beim Verkauf von Firmenaktien an die Mitarbeiter ein gewisser Rabatt gewährt werden. Wenn der Preis aber unrealistisch tief fixiert wird, sei das eine Verschleuderung von Gesellschaftskapital.
Verwaltungsratspräsident Walter Bosch verteidigt sich: «Bisher ist noch kein Franken geflossen.» Tatsache ist aber: Der KPT-Verwaltungsrat hat erst auf öffentlichen Druck hin – Anfang Juli – den Aktienrückkauf sistiert. Zudem will er nur halbwegs über die Bücher gehen.
Im Auftrag der KPT untersucht nun Anwalt Rolf Watter, ob das Beteiligungsprogramm juristisch einwandfrei aufgesetzt wurde. Die Abgabepreise der Aktien sind jedoch ausdrücklich nicht Gegenstand seiner Abklärungen.
Bosch ist heute der Meinung, dass die gewöhnlichen Mitarbeiter wie geplant voll vom Aktienprogramm profitieren sollten. «Was aber mit den Aktien der Verwaltungsräte und Geschäftsleitungsmitglieder geschieht, darüber läuft die Meinungsbildung noch», sagt er.
Finma will Aktienwert überprüfen
Druck könnte von der Finanzmarktaufsicht Finma kommen. Anders als Anwalt Rolf Watter will sie auch die Bewertung der Aktien prüfen. Die Finma hat sich aber bisher nicht den Ruf erworben, dass sie sich für die Interessen der Bank- und Versicherungskunden einsetzt.
Wenn die riesige Preisspanne zwischen 28/40 und 600 Franken bleibt, heisst das nichts anderes als: Die Leitung der KPT und die Mitarbeiter bereichern sich am Vermögen, das mit dem Geld der Versicherten aufgebaut wurde.
Übrigens: Zur Leitung gehören auch die Delegierten der Genossenschaft KPT Versicherungen. Sie ist die oberste Eigentümerin. Ihre 22 Delegierten halten im Schnitt 300 Aktien, womit ihnen ein Gewinn von je 170 000 Franken winkt.
Dabei verkündet die KPT auf ihren Websites treuherzig: «Warum eine Genossenschaft? Die KPT ist der Überzeugung, dass der Bereich der obligatorischen Versicherungen und der Komplementärprodukte grundsätzlich nicht von Gewinnstreben geleitet sein sollten. Gewinne, die erzielt werden, sollten den Versicherten in irgendeiner Form wieder zukommen.»