Diabetesmittel Avandia bleibt in der Kritik
Experten fordern, das Diabetesmittel Avandia vom Markt zu nehmen. Der Grund: Es erhöht das Risiko für Herzinfarkte.
Inhalt
saldo 05/2010
13.03.2010
Letzte Aktualisierung:
16.03.2010
Andreas Grote
Die Liste hört sich nicht gut an: 304 Todesfälle in den USA innert drei Monaten, 500 Herzinfarkte und 300 chronische Herzschwächen in einem Monat. Dies schrieb kürzlich die «New York Times» über das Diabetesmittel Avandia. Das Medikament ist auch in der Schweiz zugelassen, um Patienten den Insulinspiegel wieder ins Lot zu bringen – und sie damit vor Diabetes-bedingten Herzkrankheiten zu schützen.
Alternative Mittel wirk...
Die Liste hört sich nicht gut an: 304 Todesfälle in den USA innert drei Monaten, 500 Herzinfarkte und 300 chronische Herzschwächen in einem Monat. Dies schrieb kürzlich die «New York Times» über das Diabetesmittel Avandia. Das Medikament ist auch in der Schweiz zugelassen, um Patienten den Insulinspiegel wieder ins Lot zu bringen – und sie damit vor Diabetes-bedingten Herzkrankheiten zu schützen.
Alternative Mittel wirken besser und haben weniger Nebenwirkungen
In der «New York Times» fordern zwei wissenschaftliche Mitarbeiter der US-Heilmittelbehörde FDA, das Medikament endlich vom Markt zu nehmen. Sie haben ein Gutachten für die Behörden verfasst. Ein weiterer Bericht stammt von zwei Abgeordneten des US-Senats. Sie kritisieren die Herstellerfirma Glaxo Smith Kline massiv.
Bereits vor drei Jahren seien ersten Hinweise über das Risiko aufgetaucht. Glaxo habe schon länger von den Herzproblemen gewusst, aber nicht früh genug darüber informiert. Auch in der Schweiz regte sich bereits damals Kritik: Experten wie Etzel Gysling, Herausgeber der Zeitschrift «Pharma-Kritik», forderte im «Gesundheitstipp»: «Avandia sollte man vom Markt nehmen oder nur noch in Studien einsetzen.» Avandia zählte damals noch zu den meistverkauften Medikamenten weltweit.
Bis Juli dieses Jahres will die FDA nun die Daten genauer auswerten. Was die Schweizer Behörden mit Avandia planen, ist nicht bekannt. Swissmedic beantwortete die Anfrage von saldo nicht. Glaxo Smith Kline verweist auf ihre Stellungnahme an den US-amerikanischen Senat. Die Firma weist die Kritik von sich, die Gutachten seien lückenhaft, sie würden Studien nicht einbeziehen, die das Risiko von Avandia entlasten würden. Direktor Urs Kientsch: «Die jetzige Diskussion bezieht sich zudem auf Daten von 2007.» Und die habe Glaxo auch Swissmedic damals «sofort» zugestellt.
Das teure Avandia steht aber nicht nur wegen der Nebenwirkungen in der Kritik, auch sein Nutzen ist umstritten. Basler Stoffwechselexperte Ulrich Keller verschreibt wie viele Schweizer Ärzte Avandia nicht mehr. Er bestätigt die Befürchtungen: «Avandia hat keinen Nutzen beim Vorbeugen von Herzkrankheiten bei Diabetikern, es wirkt diesbezüglich negativ.» In der Schweiz beträgt der Anteil von Avandia an verschriebenen Diabetestabletten noch knapp über 2 Prozent. Für Etzel Gysling gibt es Alternativen, «da sich die Wirkung auf den Blutzucker auch mit anderen, besser verträglichen Substanzen erreichen lässt». Dazu gehören das bewährte Metformin oder Sulfonylharnstoffe.
Patienten sollten Avandia nur unter Aufsicht absetzen
Experten raten jedoch ab, Avandia auf eigene Faust abzusetzen. Laut Pharmakologe Bernhard Lauterburg von der Universität Bern sollten Betroffene das Gespräch mit dem Arzt suchen: «Das Risiko für einen Herzinfarkt ist mit einem schlecht behandelten Diabetes viel höher als mit einem gut eingestellten Diabetes unter Avandia.»