Medikamentenpreise: In den meisten Nachbarländern sind die Preise deutlich tiefer
Die Krankenkassen könnten fast eine Milliarde Franken jährlich sparen. Indem sie für Medikamente nur noch gleich viel zahlen wie die Nachbarländer. Höhere Prämien wären unnötig.
Inhalt
saldo 06/2009
28.03.2009
Letzte Aktualisierung:
31.03.2009
Werner Fischer
Der Krankenkassenverband Santésuisse malt schwarz: Er rechnet mit nur noch 4 Prozent Reserven per Ende Jahr. So will er einen Prämienaufschlag für den Herbst von bis zu 20 Prozent plausibel machen. Prämien erhöhen statt sparen – dieses jährliche Programm der Krankenkassen wird von den Versicherten immer weniger verstanden. Zumal Santésuisse mit einer im letzten Herbst veröffentlichten Studie gleich selbst zeigte, wo im Gesundheitswesen Sparpot...
Der Krankenkassenverband Santésuisse malt schwarz: Er rechnet mit nur noch 4 Prozent Reserven per Ende Jahr. So will er einen Prämienaufschlag für den Herbst von bis zu 20 Prozent plausibel machen. Prämien erhöhen statt sparen – dieses jährliche Programm der Krankenkassen wird von den Versicherten immer weniger verstanden. Zumal Santésuisse mit einer im letzten Herbst veröffentlichten Studie gleich selbst zeigte, wo im Gesundheitswesen Sparpotenzial besteht. Der Krankenkassenverband kam in einer Untersuchung in sieben europäischen Ländern zum Schluss, dass die Schweizer immer noch viel zu viel für Medikamente zahlen – und das allein in der obligatorischen Grundversicherung.
Medikamentenpreise sind staatlich festgelegt
Der Preis eines kassenpflichtigen Medikamentes entsteht nicht auf dem freien Markt, sondern wird staatlich festgelegt. Er setzt sich zusammen aus den Vertriebskosten und dem Fabrikabgabepreis. Dieser wiederum kommt aufgrund eines Auslandpreisvergleichs und therapeutischen Quervergleichs zustande. Beim Preisvergleich mit dem Ausland werden jene Länder berücksichtigt, die im Pharmabereich wirtschaftlich vergleichbare Strukuren haben wie die Schweiz: Deutschland, Dänemark, Grossbritannien und die Niederlande. Die Behörde prüft die Wirksamkeit, die Zweckmässigkeit und die Wirtschaftlichkeit des Arzneimittels. Danach legt sie den maximalen Preis verbindlich fest. Die Vergleiche sind mangelhaft, weil sie Angebot und Nachfrage nicht berücksichtigen. Das führt zu einer Wettbewerbsverzerrung und tendenziell überhöhten Preisen in der Schweiz. Das zeigt die Untersuchung von Santésuisse: Im Vergleich mit den vier Referenzländern schneidet die Schweiz zwar tipptopp ab: Die umsatzstärksten 100 Originalpräparate sind bei uns im Schnitt 25 Millionen Franken billiger als in Deutschland, Dänemark, den Niederlanden und England.
Fabrikabgabepreise im Ausland viel tiefer
Weil es sich um vier Hochpreisländer handelt, hat sich Santésuisse auch in den günstigeren Nachbarstaaten Österreich, Italien und Frankreich umgesehen. Und in diesen Ländern liegen die Fabrikabgabepreise 17 bis 25 Prozent unter dem Schweizer Niveau. Das bedeutet in Franken: Santésuisse kommt bei den umsatzstärksten Produkten auf ein Einsparpotenzial von 340 Millionen. Hochgerechnet nicht nur auf die umsatzstärksten, sondern auf alle Originalprodukte wären es sogar 500 Millionen Franken.
«Bei neuen Substanzen gibts keine Konkurrenz»
Xaver Schorno, Chefapotheker am Luzerner Kantonsspital, sieht ein zusätzliches Problem bei den neuen Produkten: «Sie sind viel zu teuer – sie kosten etwa zehn Mal mehr als die alten.» Die Pharmaunternehmen könnten ihre Preise festlegen wie sie wollten. Denn: «Bei neuen Medikamenten gibt es keine Konkurrenz.» Bei diesen Preisen spiele auch der Ländervergleich nicht. Schorno: «Diese neuen Substanzen sind in allen Ländern gleich teuer.» Deshalb sieht Schorno die Lösung des Problems auch auf politischer Ebene: «Es braucht staatliche Abkommen über die Medikamentenpreise. Die hohen Preise sind kein Problem, mit dem die Schweiz alleine kämpft.» Da in der Schweiz die Eidgenössische Arzneimittelkommission die Medikamente festlege, die in die Grundversicherung aufgenommen werden, schlägt Schorno vor: «Die Kommission könnte einfach nur diejenigen Arzneien aufnehmen, bei denen der Preis stimmt.» Es brauche einen kritischeren Umgang mit den neuen Medikamenten, fordert Schorno: «Unsere Behörden müssten sich viel häufiger die Frage stellen, ob eine neue Substanz dem Patienten tatsächlich einen wesentlichen Nutzen bringt.»
Auch Generika sind in der Schweiz teurer
Auf weitere rund 400 Millionen Franken Einsparungen kommt der Krankenkassenverband bei den Generika. Auch sie sind in der Schweiz teurer als im Ausland. Allein wenn man die 25 meistverkauften Schweizer Generika-Wirkstoffe durch ausländische Nachahmerprodukte zu durchschnittlichen Publikumspreisen in den Vergleichsländern Deutschland, Dänemark, Grossbritannien, Niederlande, Österreich, Italien und Frankreich ersetzen würde, liessen sich weitere 270 Millionen Franken einsparen. Mehr noch: Nicht alle Patienten kaufen konsequent das günstigste Nachahmerprodukt. Würden sie dies tun, könnten jährlich weitere rund 135 Millionen Franken eingespart werden. Zusammen macht das die stolze Summe von rund 900 Millionen Franken. Das entspricht über 4 Prozent der jährlichen Gesamtkosten der Grundversicherung oder der Prämieneinnahmen. 2007 nahmen die Kassen 19,7 Milliarden Franken Prämien ein und wiesen Leistungen von 21,6 sowie Verwaltungskosten von 1,1 Milliarden Franken aus.
Der Krankenkassenverband fordert deshalb, dass sich das Bundesamt für Gesundheit bei der Festsetzung der Medikamentenpreise nicht nur an die Hochpreisländer anlehnt, sondern offiziell auch Österreich, Italien und Frankreich berücksichtigt.
Lobbying: In der FDP hat die Pharmabranche grossen Einfluss
Als sich kürzlich Vertreter von Krankenkassen und kantonalen Gesundheitsdirektoren mit dem Bundesamt für Gesundheit an einem runden Tisch trafen, bremste beim Thema Medikamentenpreis vor allem die FDP. Kein Wunder: FDP-Generalsekretär Stefan Brupbacher stand früher auf der Lohnliste von Novartis. Laut mehreren Quellen soll er auf FDP-Parlamentarier eingewirkt haben. Auch auf die St. Galler FDP-Nationalrätin Marianne Kleiner, die eigentlich für eine generelle 5-prozentige Preissenkung plädieren wollte. Sie wurde dann kurzfristig am runden Tisch ersetzt. Andere Politiker kritisieren, Brupbacher verwechsle sein Amt bei der FDP bisweilen mit jenem bei einem Pharmakonzern. Im «Tages-Anzeiger» bestritt er dies nicht: «Es freut mich, dass man mir einen so grossen Einfluss zuschreibt», liess er sich dort zitieren.