Die Bank gewinnt immer. Das ist nicht nur im Casino beim Roulette der Fall, sondern auch im Bereich der Vermögensanlagen. Denn die Kunden müssen für die Kosten des Kaufs, Verkaufs und der Lagerung der Wertschriften auch dann bezahlen, wenn sie Verluste einfahren.
Und die Kosten sind nicht gering: Wer ein Vermögensverwaltungsmandat abschliesst, muss den Banken alljährlicheinen vorher festgelegten Prozentsatz des Anlagebetrags entrichten. Beispiele: 5000 Franken zahlt ein Kunde von Clariden Leu jährlich für die Verwaltung von 400 000 Franken. Ein anderer Anleger liefert der UBS für die Verwaltung seiner 7 Millionen alljährlich 15 000 Franken ab – ohne dass die Bank für dieses Geld viel unternimmt.
Gut verdienen die Finanzinstitute auch an Courtagen, Depot- und Verwaltungsgebühren. Kauft ein Anleger bei der UBS etwa einen Anteil von 10 000 Franken am Aktienfonds DWS Top Dividende Fund, hat er dafür 215 Franken Courtage sowie eine jährliche Depotgebühr von Fr. 43.05 auszugeben. Ferner ist für den Fondsanteil eine jährliche Verwaltungskommission von 1,45 Prozent fällig, welche die UBS im Namen der DWS-Fondsverwaltung einzieht.
Die Bank verdient immer, auch wenn das Produkt an Wert verliert
Alle Gebühren für den Fonds zusammengenommen, heisst das: Im ersten Jahr zahlt der Anleger Fr. 403.05 – oder 4,03 Prozent. Um mit dem DWS-Fonds eine Rendite zu erzielen, müsste der Kunde also über 4,03 Prozent vorwärts machen. Davon ist der Beispiel-Fonds aber weit entfernt: In den letzten 12 Monaten hat er über 29 Prozent an Wert eingebüsst.
Das Risiko für Wertverluste trägt der Kunde, die Bank verdient auf jeden Fall. Ein besonders gutes Geschäft ist es für Banken, wenn Kunden Fonds und strukturierte Produkte (Kombination von unterschiedlichen Finanzinstrumenten) in ihrem Portfolio halten. Hier ist es üblich, dass ein Teil der an die Fondsverwaltungen entrichteten Verwaltungskommissionen – die sogenannten Retrozessionen – an die Banken rückerstattet wird. Die Höhe der Vergütungen ist abhängig von der Anlageklasse (z.B. Geldmarktfonds, strukturiertes Produkt) und vom Umsatz, den die Bank generiert. Wie viel Entschädigung eine Bank genau erhält, wird in einem Vertriebsvertrag zwischen der Bank und dem Fonds festgehalten.
Beim oben genannten DWS-Fonds beispielsweise erhält die UBS eine alljährliche Rückvergütung von 0,375 Prozent des eingesetzten Kapitals. Gemäss Schätzungen von Florian Schubiger von der Winterthurer Vermögenspartner AG fliessen in der Schweiz pro Jahr mindestens 5 Milliarden Franken Vergütungen an Banken und unabhängige Vermögensverwalter.
Verkauft eine Bank einem Kunden ein eigenes Finanzprodukt, kann sie die Gebühren für sich behalten. Für hauseigene Aktienfonds etwa kassiert die Raiffeisenbank Entschädigungen bis 0,9 Prozent, bei fremden nur bis 0,6 Prozent.
Die unterschiedlich hohen Rückvergütungen der verschiedenen Anbieter von Wertschriften führen offensichtlich zu Interessenkonflikten. Eine Bank hat im Rahmen einer Anlageberatung oder eines Vermögensverwaltungsmandats einen grossen Einfluss darauf, welche Finanzprodukte ein Anleger kauft. Die Bank kommt deshalb in Versuchung, nicht diejenigen Produkte zu empfehlen und auszuwählen, die für den Kunden am besten sind, sondern die, die für sie selber die höchsten Vergütungen einbringen. Für Susan Emmenegger, Direktorin des Instituts für Bankrecht in Bern, steht fest: «Die meisten Vermögensverwalter und Banken nehmen solche Retrozessionen entgegen und stehen deshalb in einem Interessenkonflikt.»
Der Verzicht des Kunden ist nur gültig, wenn dieser die Höhe der Vergütungen kennt
Die Vermutung liegt nahe, dass die Credit Suisse (CS) die kapitalgeschützten strukturierten Produkte von Lehman Brothers ihren Kunden vor allem deswegen schmackhaft machte, weil es für sie ein gutes Geschäft war. Die CS weist das von sich: «Lehman Brothers war nur einer von vielen Anbietern, und die Entschädigungen bewegten sich in den üblichen Bandbreiten.» Ob das wirklich so war, wird sich zeigen. Der Vertrieb von Lehman-Produkten bei der CS sowie anderen Schweizer Banken wird zurzeit von der Eidgenössischen Finanzmarktaufsicht (ehemals Eidgenössische Bankenkommission) untersucht.
Diesen Interessenkonflikt dürfte es nach Gesetz gar nicht geben. Denn die Banken als Auftragnehmer sind allein den Kunden als Auftraggeber verpflichtet und müssen ihnen alle Entgelte, die sie im Rahmen des Auftrags erhalten, zurückgeben – sofern der Kunde nicht ausdrücklich darauf verzichtet. Ein Verzicht ist aber nur gültig, wenn der Anleger die Höhe der Vergütungen kennt. Das hat das Bundesgericht vor zwei Jahren ausdrücklich betont (siehe Kasten). Die Banken bestreiten, dass das Urteil auch auf Vertriebsvergütungen anwendbar ist. Rechtsprofessorin Emmenegger bejaht dies: «Auch die Banken unterstehen dem Auftragsrecht. Also gilt dieser Entscheid auch für sie.»
UBS und CS: Viel höhere Entschädigungssummen als Raiffeisenbanken
Als Reaktion auf den Bundesgerichtsentscheid geben Banken wie UBS, Credit Suisse, Raiffeisen oder Zürcher Kantonalbank ihren Kunden neuerdings Unterlagen ab, worin sie die Bandbreiten der Vergütungen – nach Produktekategorien geordnet – aufführen (siehe Tabelle). Auffällig: Bei den Grossbanken UBS und CS sind die Maximalentschädigungen viel höher als bei Raiffeisen.
Bei einem Geldmarktfonds etwa fliessen bei den Grossen im Hintergrund bis zu 1 Prozent, bei Raiffeisen nur 0,15 Prozent. Bei speziellen Anlagefonds erhält die UBS bis zu 3 Prozent Rückvergütungen – ohne selber ein Risiko einzugehen.
Die Eidgenössische Finanzmarktaufsicht Finma will sich zur Ablieferungspflicht nicht äussern. Dafür ist sie rechtlich auch nicht zuständig. Sie verlangt von den Banken lediglich mehr Transparenz. Als Minimalstandard sieht die Finma vor, dass die Banken die Kunden über die Existenz von versteckten Provisionen in Kenntnis setzen und die Bandbreite der Entschädigungen offenlegen. Das aber hat schon das Bundesgericht im zitierten Urteil vorgeschrieben.
Vergleichen lohnt sich
Wer in Wertschriften investiert, sollte die Bankgebühren beachten. Punkto Courtagen, Depotgebühren und Spesen bestehen zwischen den Banken grosse Unterschiede (saldo 20/08). Eine gute Wahl ist oft die Migros Bank, weil sie bei den Courtagen eine Pauschale verrechnet statt einer prozentualen Gebühr. Sparen lässt sich, wenn man bei seiner Hausbank die Handelsaufträge über E-Banking erteilt. Am günstigsten fährt, wer auf Beratung verzichtet und auf einen reinen Online-Anbieter wie Swissquote.ch, E-sider.com, Postfinance.ch oder Easy-trading.ch setzt.
Klassische Vermögensverwaltungsmandate werden ab einem Anlagebetrag von 100 000 Franken angeboten (z.B. UBS). Der Pauschalpreis umfasst meist Vermögensverwaltung, Depotgebühren, Kontoführung und gewisse Courtagen. Der Preis ist abhängig von der Bank, verwaltetem Vermögen und der Anlagestrategie. Grundsätzlich gilt: Je höher die Renditechancen, desto höher die Gebühren. Bei der ZKB etwa kostet ein Vermögensverwaltungsmandat mit hohem Risiko 1,55 Prozent jährlich, bei der Raiffeisenbank 1,4 Prozent. Es empfiehlt sich, vor Abschluss eines Verwaltungsmandats Offerten einzuholen. Mit einer Konkurrenzofferte lassen sich «offizielle» Preise besser verhandeln.
Wegweisendes Urteil des Bundesgerichts
Auf Vermögensverwaltungs- und Beratungsverträge ist Auftragsrecht anwendbar. Darauf gestützt hat das Bundesgericht im März 2006 in einem Streitfall zwischen einem unabhängigen Vermögensverwalter und dessen Kunden klar entschieden: Der Beauftragte – das kann auch eine Bank sein – ist verpflichtet, Vergütungen, die ihm zukommen, jederzeit offenzulegen. Das Geld gehört dem Auftraggeber, sofern er nicht ausdrücklich darauf verzichtet.
Die Banken setzen dieses Urteil inzwischen insoweit um, als sie in den Vertragsbedingungen vorschreiben, dass die Kunden auf die Rückgabe solcher Gelder ausdrücklich verzichten. saldo unterstützt einen Leser in einem Musterprozess, der nicht auf die Rückzahlung der von der Bank kassierten Vergütungen verzichtet hat.
Das Bundesgerichtsurteil betrifft auch Anwälte, Versicherungsbroker und Reisebüros, weil sie dem Auftragsrecht unterstehen.