Brotpreis stärker angestiegen als Benzinkosten
Politiker und Medien regen sich über den hohen Benzinpreis auf. Doch ein Vergleich zeigt: Die Preise von vielen Nahrungsmitteln sind stärker gestiegen.
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saldo 11/2008
10.06.2008
Andreas Schildknecht
Der Preis für einen Liter Benzin ist in zehn Jahren von Fr. 1.15 auf fast 2 Franken gestiegen. Beim Diesel liegt der Aufschlag im gleichen Zeitraum bei 76 Rappen pro Liter.
Unter dem Titel «Benzin-Diebstähle steigen» veröffentlichte die Nachrichtenagentur AP im Mai eine Meldung über die steigende Anzahl Benzindiebstähle im Kanton Waadt und führte diese Entwicklung auf die stark gestiegenen Benzinpreise zurück. Und «20 Minu...
Der Preis für einen Liter Benzin ist in zehn Jahren von Fr. 1.15 auf fast 2 Franken gestiegen. Beim Diesel liegt der Aufschlag im gleichen Zeitraum bei 76 Rappen pro Liter.
Unter dem Titel «Benzin-Diebstähle steigen» veröffentlichte die Nachrichtenagentur AP im Mai eine Meldung über die steigende Anzahl Benzindiebstähle im Kanton Waadt und führte diese Entwicklung auf die stark gestiegenen Benzinpreise zurück. Und «20 Minuten» schürte mit einem Artikel unter dem Titel «Drei Franken für einen Liter Bleifrei möglich» die Hysterie.
Die Preisentwicklung rief auch Politiker auf den Plan. SVP-Nationalrat und Transportunternehmer Ulrich Giezendanner sagte im «Sonntagsblick»: «Die Situation ist dramatisch, und zwar nicht nur für Autofahrer, sondern auch beim Heizöl und anderen Energiekosten.» Ebenso kommentierte Bundesrätin Doris Leuthard in der Sonntagspresse den Benzinpreis.
Die heftigen Reaktionen auf jede Bewegung der Treibstoffpreise erstaunen. Denn ein saldo-Vergleich zeigt: Der Benzinpreis ist in den letzten Jahrzehnten viel weniger stark gestiegen als die Kosten für wichtige Grundnahrungsmittel (siehe Grafik im pdf-Artikel).
Auch Kartoffeln sind viel teurer geworden als Benzin
saldo verglich die Preisentwicklung von Nahrungsmitteln in den letzten 50 Jahren mit dem Benzinpreis. Basis sind Daten des Bundesamtes für Statistik und des TCS.
Das Ergebnis: 1955 kostete 1 Kilogramm Ruchbrot in der Bäckerei mit durchschnittlich 58 Rappen noch genau gleich viel wie ein Liter verbleites Superbenzin an der Zapfsäule. 20 Jahre später sah das Bild anders aus, damals kostete das Ruchbrot bereits Fr. 1.96, der Liter Benzin jedoch nur 97 Rappen.
Heute kostet das Kilogramm Ruchbrot in Bäckereien bereits über 4 Franken – also mehr als das Doppelte des Betrags für einen Liter Benzin. Der Preis für das Ruchbrot hat sich in 50 Jahren mehr als versiebenfacht, der Liter Benzin kostet nur rund dreimal mehr.
Ein ähnliches Bild wie beim Ruchbrot zeigt die Entwicklung des Preises für ein Kilogramm Kartoffeln: Er hat sich seit 1955 fast versechsfacht. Damals kostete das Kilogramm Kartoffeln im Durchschnitt 38 Rappen, 1975 bereits 86 Rappen und heute Fr. 2.34. Gleich teuer wie ein Liter Benzin an vielen Tankstellen ist heute mit Fr. 1.95 auch ein Kilogramm Zucker. 1955 kostete die gleiche Menge Zucker noch 95 Rappen.
Aufregung hat mit dem Tempo des Preisanstiegs zu tun
Für Mathias Binswanger, Professor für Volkswirtschaftslehre an der Fachhochschule Nordwestschweiz, ist die Aufregung um den Benzinpreis erklärbar: «In jedem Bereich, in dem die Preise in kurzer Zeit stark steigen, regen sich Leute auf.» Das wissen auch die Medien und geben solchen Themen deshalb viel Raum.
Binswanger relativiert aber die aufgeregte Medienberichterstattung: «Die Tatsache, dass trotz des hohen Benzinpreises nicht sofort deutlich mehr Leute auf den öffentlichen Verkehr umsteigen, zeigt, dass der Treibstoffpreis letztlich doch nicht so budgetrelevant ist.»