Bauern kontrollieren sich selbst
Wer das Bio-Label mit der Knospe erhält, entscheidet eine Firma allein.<br />
Und die ist erst noch verbandelt mit dem Bio-Bauernverband Bio Suisse.
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saldo 15/2006
27.09.2006
Beat Camenzind
Wer in der Schweiz eine AG gründet, ist verpflichtet, eine Kontrollstelle zu wählen. Diese muss unabhängig sein:
Zwischen Kontrollierten und Kontrollierenden sind weder personelle Verstrickungen noch finanzielle Beteiligungen zulässig. Zweck: Von Unabhängigen geprüfte Bilanzen sind glaubwürdiger.
An Glaubwürdigkeit müssten auch Bio-Labels interessiert sein. Wer Gemüse mit der Knospe kauft, zahlt deutlich mehr als für Ware ohne Gütezeichen. Er erwartet dafür bes...
Wer in der Schweiz eine AG gründet, ist verpflichtet, eine Kontrollstelle zu wählen. Diese muss unabhängig sein:
Zwischen Kontrollierten und Kontrollierenden sind weder personelle Verstrickungen noch finanzielle Beteiligungen zulässig. Zweck: Von Unabhängigen geprüfte Bilanzen sind glaubwürdiger.
An Glaubwürdigkeit müssten auch Bio-Labels interessiert sein. Wer Gemüse mit der Knospe kauft, zahlt deutlich mehr als für Ware ohne Gütezeichen. Er erwartet dafür bessere Qualität. Genauer: die Einhaltung der Knospe-Richtlinien. Und er geht davon aus, dass dies von unabhängiger Stelle geprüft wird.
Coop und Migros sind nicht an Bio Inspecta beteiligt
Doch bei den Bio-Bauern gilt das Prinzip der unabhängigen Kontrolle nur bedingt. Der Bio-Bauernverband Bio Suisse, Besitzer und Lizenzgeber des Knospe-Bio-Labels, ist an der Kontroll- und Zertifizierfirma Bio Inspecta finanziell beteiligt und persönlich mit ihr verflochten:
- Bio Suisse hält 12,5 Prozent der Aktien an der Bio Inspecta und hat auch einen Sitz im Bio-Inspecta-Verwaltungsrat.
- Im Vorstand von Bio Suisse nimmt ein Bio-Inspecta-Mitarbeiter Einsitz. Dies, obwohl bei Bio Suisse eine Weisung besteht, dass Personen, die in einem Arbeitsverhältnis zu Bio Suisse stehen oder enge geschäftliche Beziehungen pflegen, nicht wählbar sind. Bio-Suisse-Geschäftsführer Markus Arbenz hält fest, dass der Mann im Vorstand die Bio-Bauern des Berggebietes vertrete und nicht die Bio Inspecta.
- Im Aktionariat der Bio Inspecta sind auch Bauern und Verarbeiter vertreten.
Die beiden Grossverteiler, die das Knospe-Label für ihre Bio-Produkte verlangen, beweisen mehr Fingerspitzengefühl. Coop ist «aus grundsätzlichen Überlegungen» nicht an Bio Inspecta beteiligt. Dasselbe gilt für Migros.
Die Verstrickungen sorgen unter Bio-Bauern für Unmut. Nicht zuletzt, weil die Bio Inspecta als Einzige ermächtigt ist, das Knospe-Zertifikat zu verleihen. «Bio Inspecta ist personell und finanziell zu stark mit Bio Suisse verflochten und deshalb aus unserer Sicht nicht unabhängig», kritisiert Niklaus Wynistorf, Geschäftsführer der Bio Test Agro AG (BTA). Wynistorfs BTA kontrolliert rund 1100 der etwas über 6100 Knospen-Höfe; doch Zertifikate ausstellen darf die Firma nicht. Für Wynistorf ein unhaltbarer Zustand. Er plädiert für eine Öffnung bei der Zertifizierung.
«Kontrolle sollte grundsätzlich unabhängig sein»
Arbenz verteidigt das Kontroll- und Zertifizierungssystem. Wenn die Zertifizierung dem Wettbewerb preisgegeben werde, bestehe die Gefahr, dass nicht mehr alle Bauern nach dem gleichen Massstab kontrolliert würden. Das sieht man bei der Stiftung für Konsumentenschutz anders: «Grundsätzlich sollte die Kontrolle unabhängig sein, sonst sinkt das Vertrauen der Kunden», sagt Josianne Walpen. Bio-Inspecta-Geschäftsführer Frank Rumpe weist die Kritik zurück: «Wir sind unabhängig. Sonst wären wir vom Bund gar nicht akkreditiert worden.»
Beim Bund ist die Schweizerische Akkreditierungsstelle (SAS) zuständig für die Zulassung von Zertifizierungsbetrieben. Peter Scheffeldt von der SAS sieht im Fall der Bio Inspecta keine Anzeichen für Interessenverstrickungen. Dass ein Bio-Inspecta-Mitarbeiter im Vorstand von Bio Suisse sitzt, wusste Scheffeldt jedoch nicht. Wolle die Bio Suisse ihren Aktienanteil aber erhöhen, würde man den Fall prüfen. Und tatsächlich: Bei Bio Suisse erwägt man, sich gar mit 30 Prozent der Aktien bei der Bio Inspecta zu engagieren.
Kontrollen und Stichproben
Knospe-Bauern verzichten laut Bio Suisse auf chemischsynthetische Spritzmittel und Gentechnik. Ihre Tiere halten und füttern sie artgerecht. Verarbeitete Knospe-Produkte enthalten keine Aroma- oder Farbstoffe.
Kontrolliert werden die Bauern einmal jährlich auf Vorankündigung. Dabei setzen die Kontrollbetriebe BTA und Bio Inspecta vorwiegend auf praxiserfahrene Bio-Bauern, die Hof und Protokolle überprüfen. Regelmässig erhalten sie neue Kontrolltouren zugewiesen. Beide Betriebe führen auch Stichkontrollen durch, Bio Inspecta letztes Jahr deren 300.
Bei der Zertifizierung setzt Bio Inspecta auf Aufgabentrennung. Das heisst: Mitarbeiter, die einen bestimmten Hof kontrollieren, dürfen diesen nicht gleichzeitig auch zertifizieren.