Nach dem Essen der Durchfall
Jedes vierte Schweizer Huhn trägt das Campylobacter-Bakterium im Darm. Und viele Menschen infizieren sich damit. Doch die Behörden sehen keinen Grund zum Handeln.
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saldo 18/2005
09.11.2005
Letzte Aktualisierung:
19.01.2009
Die Zahl der den Behörden gemeldeten Salmonelleninfektionen ist in der Schweiz in den letzten Jahren auf rund 2200 Fälle pro Jahr zurückgegangen. In Europa auf dem Vormarsch ist aber ein anderes Bakterium: Campylobacter. Es löst ebenfalls Bauchkrämpfe, Durchfall und Fieber aus. In der Schweiz hat sich die Zahl der gemeldeten Infektionen zwischen 1990 und 2000 nahezu verdoppelt. In den letzten drei Jahren registrierte das Bundesamt für Gesundheit (BAG) zwischen 55...
Die Zahl der den Behörden gemeldeten Salmonelleninfektionen ist in der Schweiz in den letzten Jahren auf rund 2200 Fälle pro Jahr zurückgegangen. In Europa auf dem Vormarsch ist aber ein anderes Bakterium: Campylobacter. Es löst ebenfalls Bauchkrämpfe, Durchfall und Fieber aus. In der Schweiz hat sich die Zahl der gemeldeten Infektionen zwischen 1990 und 2000 nahezu verdoppelt. In den letzten drei Jahren registrierte das Bundesamt für Gesundheit (BAG) zwischen 5500 und 6500 Erkrankungen. Die tatsächliche Zahl der Betroffenen ist allerdings um ein Vielfaches höher. Nicht alle suchen bei den bekannten Symptomen den Arzt auf.
Experten rechneten in der Schweiz schon vor fünf Jahren mit rund 150 000 Campylobacter-Erkrankungen pro Jahr (saldo 14/01). Besonders häufig betroffen sind Kinder unter 6 Jahren und junge Erwachsene zwischen 25 und 28 Jahren, so das deutsche Bundesinstitut für Risikobewertung. Es beobachtet in Deutschland ebenfalls einen starken Anstieg der Campylobacter-Infektionen.
Häufigste Infektionsquelle ist rohes Pouletfleisch. Jedes vierte Schweizer Huhn trägt laut Bundesamt für Veterinärwesen (BVET) den Erreger im Darm. Zum Vergleich: In Norwegen waren laut einem EU-Bericht aus dem Jahr 2003 nur 5 Prozent der Herden positiv und in Schweden 18 Prozent.
Skandinavien geht mit gutem Beispiel voran
Die Norweger bekämpfen den Erreger im Hühnerstall erfolgreich mit einem rigorosen Kontrollprogramm und strengen Hygienemassnahmen. Tierärzte untersuchen die Hühnerherden eine Woche vor der Schlachtung. Campylobacter-positive Herden werden separat geschlachtet. Ihr Fleisch kommt in der Regel nur tiefgefroren in den Verkauf - eine Massnahme, welche die Zahl der Campylobacter-Keime deutlich reduziert. «Ein ähnlich rigoroses Programm wie in Norwegen ist zwar auch in der Schweiz denkbar», sagt Franz Geiser vom BVET. «Der finanzielle Aufwand ist allerdings sehr hoch.» Gertraud Regula vom BVET ergänzt: «Strenge Hygiene bei der Haltung kann die Verbreitung der Keime eindämmen. Ausrotten lassen sie sich aber nicht.»
In Schweden und Dänemark liegt seit Jahren Campylobacter-freies Geflügelfleisch in den Regalen der Lebensmittelgeschäfte - versehen mit einem speziellen Gütezeichen. Warum ist dies in der Schweiz nicht möglich?
«Wir würden gerne garantiert Campylobacter-freies Fleisch anbieten», sagt Urs-Peter Naef vom Migros-Genossenschafts-Bund. Der Fleischverarbeiter Optigal und die Mäster führten immer wieder Versuche durch, um die Keimzahl zu reduzieren. Etwa durch Enzymbeimischungen im Hühnerfutter oder eine Dampfbehandlung des Fleisches im Schlachthof. Bislang erfolglos. Die Einführung eines Labels hält er für problematisch. «Wenn der Konsument die Wahl hat, entscheidet er sich vermutlich für garantiert Campylobacter-freies Fleisch.» Das andere bliebe wohl liegen. Zudem könne die Migros die nötigen Mengen garantiert Campylobacter-freien Pouletfleischs nicht beschaffen, auch nicht durch Importware.
Bei der Zubereitung ist das Infektionsrisiko am grössten
Immerhin haben Kantonschemiker bei den Grossverteilern erreicht, dass sie Hygienehinweise auf der Verpackung anbringen. «Allerdings dürften die Hinweise durchaus noch etwas grösser und besser lesbar sein», sagt Niklaus Jäggi, Kantonschemiker von Basel-Land.
Die Hinweise sind sinnvoll, weil die meisten Infektionen bei der Zubereitung von Pouletfleisch erfolgen und nicht etwa, weil jemand mangelhaft durchgegartes Fleisch isst. Das Risiko, den Keim über das Kochbesteck oder die Hände zu verschleppen und sich so anzustecken, liegt laut dem Institut für Risikobewertung bei 70 Prozent.
So schützen Sie sich vor Campylobacter-Infektionen
- Rohes Fleisch spätestens nach 2-3 Tagen zubereiten. Je stärker zerkleinert es ist, desto schneller sollte es verarbeitet werden.
- Beim Lagern darauf achten, dass kein Fleischsaft auslaufen und so andere Lebensmittel verunreinigen kann.
- Rohes Fleisch auf einer separaten Unterlage bearbeiten. Diese gründlich reinigen.
- Hände mit Seife waschen und mit Papiertüchern abtrocknen.
- Geschirrtücher und Putzlappen häufig wechseln.
- Beim Fondue rohes Fleisch strikt von Saucen und andern Beilagen trennen.
- Geflügel immer vollständig durchgaren.