So wurde der Milliarden-Klau für dieses Jahr eingefädelt
Der Mindestzinssatz von 1,5 Prozent gilt auch dieses Jahr. Ein unter Verschluss gehaltenes Sitzungsprotokoll zeigt, wie die zuständige Kommission einen höheren Mindestzins verhinderte.
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saldo 10/2013
29.05.2013
Yves Demuth
Am 3. September 2012 hatten die 18 anwesenden Mitglieder der eidgenössischen Kommission für die berufliche Vorsorge eine Empfehlung an den Bundesrat abzugeben. Sie sollten dem Bundesrat sagen, zu welchem Zinssatz die Sparguthaben der obligatorischen Pensionskasse im Jahr 2013 verzinst werden. Denn die Entscheidung darüber liegt in den Händen der Regierung.
Seit 2012 liegt der Mindestzins für die Pensionskasse bei 1,5 Prozent. Er ist in den letzten Jahren s...
Am 3. September 2012 hatten die 18 anwesenden Mitglieder der eidgenössischen Kommission für die berufliche Vorsorge eine Empfehlung an den Bundesrat abzugeben. Sie sollten dem Bundesrat sagen, zu welchem Zinssatz die Sparguthaben der obligatorischen Pensionskasse im Jahr 2013 verzinst werden. Denn die Entscheidung darüber liegt in den Händen der Regierung.
Seit 2012 liegt der Mindestzins für die Pensionskasse bei 1,5 Prozent. Er ist in den letzten Jahren stetig gesunken. Zwischen 1985 und 2002 wurde das angesparte Kapital der Angestellten jedes Jahr noch mit 4 Prozent verzinst. Je tiefer der Zinssatz, desto kleiner ist das Alterkapital bei der Pensionierung.
saldo wollte wissen, wie die Diskussion zum Mindestzinssatz in der Kommission verlief und wie die Mitglieder am Schluss abstimmten. Deshalb beantragte er gestützt auf das Öffentlichkeitsgesetz die Einsicht in das Protokoll der Sitzung. Dieses Gesetz gibt den Bürgern das Recht, in Dokumente der Verwaltung Einsicht zu nehmen. Das Bundesamt für Sozialversicherung lehnte das Gesuch am 28. Januar 2013 ab. Begründung: Die Pensionskassenkommission unterstehe nicht dem Öffentlichkeitsgesetz. Kürzlich entschied das Bundesverwaltungsgericht aber anders: Das Gesetz gelte auch für beratende Kommissionen des Bundes. Gestützt darauf gab das Bundesamt das Protokoll an saldo heraus.
Jetzt ist klar: Die Mehrheit der am 3. September anwesenden 18 Mitglieder der Kommission wollte das Sparkapital der Versicherten nicht höher verzinsen. Sechs Vertreter der Angestellten und Versicherten waren für mindestens 2 Prozent. Gegen die Übermacht der Vertreter von Pensionskassen, Versicherungen, Banken, Arbeitgeber- und Bauernverband hatten sie keine Chance. Zuletzt empfahl die Kommissionsmehrheit, den Mindestzins bei 1,5 Prozent zu belassen (siehe Kasten).
Das saldo vorliegende Sitzungsprotokoll der Kommission zeigt, wer aus welchen Gründen gegen die Interessen der Versicherten war. Ausgangsbasis der Sitzung: Die Mehrheit der Kommission hatte sich 2009 und 2010 dafür ausgesprochen, den Mindestzins gestützt auf eine bestimmte mathematische Formel festzulegen. Diese stützt sich auf die Rendite von Bundesobligationen, Aktien, Obligationen und Liegenschaften. Die Anwendung dieser Formel hätte im August des letzten Jahres einen Mindestzinssatz von 2,3 Prozent ergeben. Die von den Angestelltenvertretern favorisierte Formel kam auf 2,86 Prozent. Alle Zahlen des Finanzmarktes sprachen somit klar für eine Zinserhöhung.
Hans-Peter Konrad, Direktor des Pensionskassenverbandes, wollte die Zinserhöhung mit einem Buebetrickli umgehen. Im Gesetz stehe nur, dass der Zinssatz mindestens alle zwei Jahre angepasst werden müsse. Deshalb könne man dieses Jahr pausieren. Christian Kohli vom Bauernverband bemühte den «gesunden Menschenverstand», darum sei er für die Beibehaltung von 1,5 Prozent: «Das würden auch die Versicherten so sehen.»
Der Vertreter der Versicherungen – Donald Desax von der Helvetia – beantragte gar eine Senkung auf 1 Prozent. Pikantes Detail: Die Helvetia hat im Bereich Pensionskasse im letzten Jahr den höchsten Betriebsgewinn seit zwölf Jahren eingefahren.
Danach geschieht Erstaunliches. Der zuständige Bundesrat Alain Berset hält sich nicht – wie alle seine Vorgänger – an die Kommissionsempfehlung, sondern fordert einen höheren Mindestzins. Doch im Bundesrat findet er kein Gehör (saldo 19/12).
Kommission: wer für und wer gegen einen höheren mindestzins war
Dafür waren
- Michel Pillonel Schweizerischer Seniorenrat SSR
- Gabriela Grob Hügli Behindertenorganisation Procap
- Doris Bianchi Schweizerischer Gewerkschaftsbund
- Sabino Di Mambro Pensionskasse der Gewerkschaft Unia
- Kurt Regotz Gewerkschaft Syna
- Matthias Kuert Killer Gewerkschaft Travail Suisse
Dagegen waren
- Claude Frey Kommissionspräsident und Vizepräsident der Privatbank Dexia
- Andreas Schlatter Grossbank UBS
- Donald Desax Lebensversicherer Helvetia
- Patrick Spuhler Vorsorgespezialist Swisscanto
- Dominique Ammann Pensionskassenberatung PPC metrics
- Hans-Peter Konrad Direktor Pensionskassenverband Asip
- Brigitte Schmid Pensionskassenverband Asip
- Laurence Uttinger Anwältin und Beraterin von Pensionskassen
- Olivier Sandoz Verband Westschweizer Unternehmen und Pensionskassenverband Asip
- Thomas Daum Direktor Schweizerischer Arbeitgeberverband
- Christian Kohli Schweizerischer Bauernverband, Geschäftsbereich Versicherungen
- Markus Lustenberger Vorstand der kantonalen Vorsorge-Aufsichtsbehörden
Abwesend
- Kurt Gfeller Vizedirektor Schweizerischer Gewerbeverband