Pensionskassen: Versicherten entgehen Milliarden
Die Pensionskassen erzielten letztes Jahr auf ihrem Vermögen im Durchschnitt eine Rendite von 7,2 Prozent. Aber die Versicherten haben wenig davon: Ihre Altersguthaben werden meist nur mit mickrigen 1,5 Prozent verzinst.
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saldo 10/2013
29.05.2013
Max Fischer
Die Schweizer Angestellten haben bereits gut für ihr Alter vorgesorgt: Ende 2011 bezifferte sich ihr Altersguthaben in der 2. Säule laut dem Bundesamt für Sozialversicherung auf 333 Milliarden Franken. Ende 2012 dürften es bereits rund 350 Milliarden Franken gewesen sein. Das ist das Geld, das von den Kassen bis zur Pensionierung der Versicherten verwaltet wird. Es setzt sich zusammen aus den Prämienzahlungen der Angestellten und der Arbeitgeber. Drei V...
Die Schweizer Angestellten haben bereits gut für ihr Alter vorgesorgt: Ende 2011 bezifferte sich ihr Altersguthaben in der 2. Säule laut dem Bundesamt für Sozialversicherung auf 333 Milliarden Franken. Ende 2012 dürften es bereits rund 350 Milliarden Franken gewesen sein. Das ist das Geld, das von den Kassen bis zur Pensionierung der Versicherten verwaltet wird. Es setzt sich zusammen aus den Prämienzahlungen der Angestellten und der Arbeitgeber. Drei Viertel der Einzahlungen landen auf dem Konto Alterskapital, ein Viertel geht für Versicherungs- und Verwaltungskosten weg.
Das während 40 Jahren laufend erhöhte Altersguthaben wird von den Pensionskassen zinsbringend angelegt. Nicht zuletzt die Höhe des Zinses entscheidet, wie viel jemand mit 64 oder 65 Jahren zusammengespart hat.
Das Problem: Die Pensionskassen sind nicht gezwungen, die auf den Altersguthaben erzielten Erträge den Versicherten gutzuschreiben. Der Bundesrat legt jährlich nur einen Mindestzinsfuss fest (siehe Artikel auf Seite 10). Den Rest dürfen die Pensionskassen behalten.
In Zahlen: Bei einer Verzinsung des Alterskapitals zum aktuellen Mindestzins von 1,5 Prozent erhielten die Versicherten im letzten Jahr Zinsgutschriften von 5,25 Milliarden Franken. Tatsächlich nahmen die Pensionskassen aber viel mehr ein: Gemäss der aktuellsten Umfrage von Swisscanto, einem Gemeinschaftsunternehmen von 24 Kantonalbanken, erzielten sie letztes Jahr eine durchschnittliche Rendite von 7,2 Prozent auf dem verwalteten Kapital. Das ergibt einen Ertrag von rund 25 Milliarden Franken auf dem Altersguthaben von 350 Milliarden Franken.
«Mit dem Mindestzinssatz werden die Versicherten geprellt»
Trotz dieses riesigen Betrags schreiben die meisten Pensionskassen ihren Versicherten nur den vorgeschriebenen Mindestzins gut. Das heisst: Allein im letzten Jahr mussten sich die Versicherten rund 20 Milliarden Franken ans Bein streichen. Doris Bianchi, Vertreterin des schweizerischen Gewerkschaftsbundes in der Pensionskassenkommission des Bundes, sagt klar: «Mit dem Mindestzinssatz von 1,5 Prozent werden die Versicherten geprellt.»
Diese 20 Milliarden Franken sind erst noch sehr konservativ gerechnet. Die Durchschnittsrendite von 7,2 Prozent erzielte eine Pensionskasse 2012 nämlich mit einer vorsichtigen Anlageausrichtung. Spitzenreiter in der Swisscanto-Umfrage ist eine Pensionskasse mit einer Performance von 17,9 Prozent. Auch der richtungsweisende Pensionskassen-Index von Pictet & Cie. – der BVG 2005 – erreichte höhere Werte: Der BVG 25 (Aktienanteil 25 Prozent) kam auf eine Performance von 8 Prozent, der BVG 40 auf 10 Prozent, der BVG 60 auf 12,6 Prozent.
Nicht alle Kassen knausern gegenüber den Versicherten. Es gibt auch löbliche Ausnahmen: etwa die Integral Stiftung. Seit Beginn des Pensionskassen-Obligatoriums im Jahr 1985 verzinst diese Pensionskasse das Altersguthaben der aktiven Versicherten – also der Arbeitstätigen – im Schnitt mit 5,4 Prozent. Der Durchschnittsertrag von Integral auf dem Pensionskassenvermögen betrug in den letzten zehn Jahren 9 Prozent. Gar mit 5,93 Prozent verzinst SAPension – die Pensionskasse des Software-Unternehmens SAP Schweiz – das Altersguthaben ihrer Mitarbeitenden im Jahr 2012.
Im Schnitt gab es letztes Jahr nur 1,98 Prozent Zins
Laut Swisscanto-Umfrage wurden die Altersguthaben von 343 Pensionskassen im letzten Jahr im Schnitt mit 1,98 Prozent verzinst. Das ergab für die Pensionskassen immer noch einen Mehrertrag von 18,3 Milliarden – in die eigenen Taschen.
Folge dieser Politik: Den Pensionskassen geht es blendend. Die Reserven steigen und steigen. Die meisten Kassen erhöhen lieber ihre Deckungsgrade und Wertschwankungsreserven, statt den Versicherten finanziell entgegenzukommen. Swisscanto hat den Deckungsgrad bei 343 Pensionskassen mit 2,8 Millionen Versicherten erhoben. Per Ende 2012 lag er bei 109 Prozent – im Vorjahr bei 103 Prozent.
Das ist weit mehr als nötig. Der Deckungsgrad gibt an, zu wie viel Prozent die Verpflichtungen einer Kasse gegenüber den Versicherten mit Vermögenswerten gedeckt sind. Ein Deckungsgrad von 100 Prozent besagt, dass das Sparkapital der aktiven Beitragszahler und die künftigen Rentenverpflichtungen voll abgedeckt sind. Dabei geht man von der hypothetischen Annahme aus, dass eine Pensionskasse an einem einzigen Tag das gesamte Vermögen versilbern und sämtliche Versicherten auszahlen müsste.
Im 100-prozentigen Deckungsgrad sind zudem schon Reserveposten enthalten. Eine Kasse mit diesem Deckungsgrad ist finanziell sehr gut gebettet und braucht keine weiteren Finanzpolster. Selbst eine Unterdeckung ist kein Unglück: Jedes Jahr nehmen die Kassen im Durchschnitt mehr Geld durch Beiträge ein, als sie an die Versicherten auszahlen müssen.
Übrigens: Die guten Erträge erwirtschafteten die Pensionskassen auf ihrem gesamten Anlagevermögen, nicht nur auf dem Ersparten der Erwerbstätigen. Es beträgt gegen 800 Milliarden Franken – darunter ist das Kapital für die heutigen Rentner. Die Performance von 7,2 Prozent auf dieser Summe spülte den Vorsorgeeinrichtungen knapp 60 Milliarden in die Kasse.
Versicherte: Das können Sie tun
- Jede Pensionskasse ist als Stiftung organisiert. Die Hälfte des Stiftungsrates muss aus Vertretern der Angestellten bestehen. Wählen Sie Leute in den Stiftungsrat, die die Interessen der Versicherten vertreten und nicht diejenigen der Pensionskasse.
- Überzeugen Sie den Arbeitgeber, dass er den Betrieb einer Pensionskasse anschliesst, die die Ersparnisse gut verzinst – nicht nur mit dem Minimum.