Johanna Schröder kann ihre Liebe zu Haushaltgeräten der Firma Clatronic in ihren Kundenbewertungen auf Amazon.de nicht verhehlen: «Edles Tischdesign zum kleinen Preis» bescheinigt sie dem Clatronic Multi-Grill Profi Cook. «Restlos begeistert» ist sie von der Espressomaschine ES 2494, «einem Topprodukt zum Schnäppchenpreis, das den Vergleich mit den Grossen nicht zu scheuen braucht». Und in der Knetmaschine KM 2718 erkennt sie «ein Kraftpaket mit unschlagbarem Preis-Leistungs-Verhältnis».
Natürlich vergibt Johanna Schröder stets alle möglichen fünf Sterne. Wie viel diese wert sind, lässt sich nicht sagen. Bei drei der Clatronic-Produkte gibt es keine weitere Besprechung auf Amazon. Stutzig macht zudem, dass Johanna Schröder ein Pseudonym ist und sie ihre Clatronic-Lobeshymnen allesamt am 10. und 11. Juni 2007 online stellte.
1000 gefälschte Bewertungen in vier JahrenDas ist kein Einzelfall. Tomas Wehren, Leiter des Computerverlags Galileo Press, glaubt, dass «Kundenrezensionen bei Amazon oft nicht von richtigen Lesern stammen». Amazon.de habe in vier Jahren rund 1000 gefälschte Kundenrezensionen über Computerbücher freigeschaltet, die Identität von mehr als 100 Rezensenten sei gefälscht gewesen. Besonders oft betroffen waren laut Wehren Bücher und Lern-Software für Grafik und Design.
Nutzer kann Echtheit der Bewertungen nicht überprüfenAuch das Online-Magazin «Telepolis» berichtete jüngst von mehreren Fällen, bei denen Fälscher positive Rezensionen zu IT-Produkten bei Amazon kopiert und später wortgleich unter anderem Namen und zu neuen Artikeln abgaben. Amazon-Sprecherin Christine Höger will sich auf Anfrage zu diesen konkreten Fällen nicht äussern.
«Dass sich Interessierte bei solchen Rezensionen manchmal selber bewerten», gibt auch Michael von Arx offen zu. Sein Geschäft sind Homepages mit Anwalts-, Fahrlehrer- oder Coiffeurvergleichen. Auf diesen Seiten reicht es, irgendeine E-Mail-Absender-adresse anzugeben – und schon kann man Bewertungen abgeben.
Strengere Identitätskontrollen lehnt von Arx ab: «Wenn wir auf einer Authentifizierung bestünden, ginge die Zahl der Bewertungen drastisch zurück.» Schon jetzt stehen bei den meisten Anwälten oder Coiffeuren null Bewertungen, bei einigen sind ein bis zwei angebliche Kundenkommentare zu finden. Trotzdem zeichnen diese Websites die Getesteten oft mit der Höchstzahl von sechs Sternen aus – eine absolut wertlose Qualifizierung. Auf Anfrage räumt von Arx ein, dass bei «so wenigen Bewertungen ein Urteil natürlich willkürlich» sei. «Ideal wären 30 bis 40 Einträge pro Person.»
Amazon: Pseudonyme sind weiterhin möglichAuch andere Online-Händler sind nicht an Kontrollen interessiert. Kundenbesprechungen kosten schliesslich nichts, locken aber viele Nutzer auf ihre Seiten.
So hat auch Amazon.de seine Richtlinien im Februar nur halbherzig verschärft: Einerseits darf man neu nur eine Rezension publizieren, wenn man bereits einmal bei Amazon bestellt hat. Doch eine Bestellung lässt sich leicht stornieren. Andererseits akzeptiert der Konzern weiterhin Besprechungen von Autoren, die das rezensierte Produkt gar nicht bei Amazon gekauft haben. Und: Auch weiterhin können sich Rezensenten hinter Pseudonymen verstecken.
Strengere Massnahmen hält Amazon-Sprecherin Christine Höger für unnötig: «Generell sind Manipulationsversuche unter unseren Millionen von Rezensionen sehr selten.» Amazon verfolge jedoch jeden Verdacht und lösche Fälschungen.
Für Galileo-Leiter Tomas Wehren haben PR-Agenturen oder private Fälscher daher auch bei Amazon weiterhin leichtes Spiel: «Angebliche Kundenrezensionen sind und bleiben grundsätzlich unzuverlässig.»
So kritisch sollen Sie mit Bewertungen umgehen- Vorsicht bei anonym abgegebenen Kundenrezensionen. Wer sich zu erkennen gibt, ist glaubwürdiger.
- Zweifel sind am Platz, wenn ein Produkt oder Anbieter in kurzer Zeit viele gleiche Bewertungen bekommt oder sich klare Widersprüche zwischen Bewertung und Kommentar zeigen.
- Im Zweifelsfall lohnt es sich, alle Besprechungen zu einem Produkt anzusehen. Bei Amazon ist dies möglich.
- Ignorieren sollte man Besprechungen, wenn der Rezensent viele Produkte des gleichen Anbieters extrem positiv oder die anderer extrem negativ bewertet.
- Verdächtig ist auch, wenn jemand an einem einzigen Tag viele Rezensionen veröffentlicht hat.