Anfang Januar 2016 veröffentlichte Lina Khan in der juristischen Studentenzeitschrift «Yale Law Journal» einen Artikel, der Amazon in den Grundfesten erschüttern und der Autorin eine steile Karriere bescheren sollte. Die damals 27-Jährige schloss gerade ihr Studium ab und prangerte unter dem Titel «Amazons Kartellparadox» die Geschäftspraktiken des Internet-Handelsriesen an und forderte Massnahmen gegen seine Monopolstellung.

Die US-Journalistin Dana Mattioli schreibt in ihrem Buch «Der Gigant»: «Artikel in juristischen Fachzeitschriften erreichen in der Regel nur ein kleines Publikum.» Khans Beitrag erreichte aber «etwas noch nie Dagewesenes»: Ihr Artikel verbreitete sich wie ein Lauffeuer. Er aktivierte einflussreiche Politikerinnen wie etwa die Senatorin von Massachusetts, Elizabeth Warren. Dies führte zu einer Anhörung von Amazon-Gründer Jeff Bezos im US-Kongress und schliesslich zu einer Klage der Kartellbehörden.

Auch Schweizer Firmen sind Kunden

Mattiolis Buch liest sich wie ein Krimi. Akribisch beschreibt die Autorin den Aufstieg Amazons vom kleinen Buchportal zur mächtigsten Versandfirma der Welt. Mehr als 300 Millionen Leute kaufen regelmässig bei Amazon ein. Der Tagesumsatz des Konzerns beträgt 1,2 Milliarden Franken. Und bei Amazons Tochter AWS, dem weltweit grössten Cloud-Anbieter, speichern Hunderttausende Betriebe ihre Daten. Zu den Kunden gehören auch Schweizer Firmen wie die Swisscom, die SBB oder die Post.

Mattioli durchleuchtet Amazons «toxische» Geschäftspraxis. Etwa wie der Konzern Konkurrenten ausschaltet und Händler mit Knebelverträgen an die Plattform bindet. Oder wie Jeff Bezos in den Logistikzentren ein strenges Regime aufbaute, das auf Überwachung und Zeitdruck basiert.

Am 26. September 2023 eröffnete die Federal Trade Commission, die oberste Wettbewerbsbehörde der USA, ein Verfahren gegen Amazon. Lina Khan ist seit 2021 Vorsitzende dieser Behörde.

Dana Mattioli, «Der Gigant», DVA, München 2024, 560 Seiten, 40 Franken